Vergessene Sprache

Dr. Neele Illner
Vergessene Sprache

Seminar, Deutsch/English, 2 SWS, 2 ECTS
Freitags, 10-14 Uhr, 14tägig: 19.4., 3.5., 17.5., 31.5., 14.6., 28.6., 12.7.2024, Hardenbergstr. 33, Raum 151

Anmeldung auf Moodle beginnt am 15.04.2024:
https://moodle.udk-berlin.de/moodle/course/view.php?id=2235
Moodle Enrollment Key / Einschreibeschlüssel: sprache

Mit jedem Menschen, der verstummt, verschwindet Wissen. Sei es durch Tod, durch politische Unterdrückung oder durch medizinische Erkrankungen des Stimmapparats, jedes Nicht-Sprechen hinterlässt eine Lücke, die erst noch spürbar ist und dann nach und nach verschwindet. Das Seminar geht dem nach, welche Spuren das Vergessene, das Nicht-Gesagte und Unsagbare hinterlassen.

Dabei werden Beispiele betrachtet, die sich etwa dem Aussterben bestimmter Sprachen wie dem Grönländischen, Darstellungen von Amnesie und Aphasie in der Kunst oder Stummheit in Mythen und Sagen widmen. Maßgeblich ist die Frage, was im Verstummen verloren wird, ob es sich wiederfinden lässt und wenn nicht, was an die Stelle des Vergessenen tritt. Die Studierenden können eigene Arbeiten oder Beispiele einbringen und präsentieren. Zugleich wird untersucht, welche Medien was für Formen der Überlieferung transportieren und welche Erinnerungen sie unterstützen. Dies geschieht sowohl in Form theoretischer Auseinandersetzung wie in praktischen Versuchen.

Insbesondere liegt ein Augenmerk auf Unterschieden und Verknüpfungen von mündlicher und schriftlicher Kommunikation. Während historisch das Orale den Aufzeichnungssystemen vorangeht, gilt in Industrienationen seit einigen Jahrhunderten ein Primat des Schriftlichen. Es wird befragt, inwiefern Praktiken sekundärer Oralität (wie Radio, Podcasts, Telefon) dies aufbrechen und welchen Stellenwert Körper und physisches Wissen im Entstehen und Vergessen von individuellen und kollektiven Sprachen spielt.

Leistungsanforderungen für den unbenoteten Studium-Generale-Schein: Aktive Vorbereitung einer Sitzung, etwa Thesenpapier zu Quelle oder Einbringen eigener Werke/selbstgewählter themenbezogener Quellen.

Neele Illner studierte Film- und Literaturwissenschaft in Berlin und Istanbul. Nach ihrem Bachelor-Abschluss war sie an verschiedenen Theater-, Tanz- und Filmprojekten in der Türkei, in Deutschland und Japan beteiligt. Von 2016 bis 2021 promovierte sie an der UdK Berlin zum "Aktiven Passivismus als Form des Lebens und Schreibens in Robert Musils Roman 'Der Mann ohne Eigenschaften'". Sie ist in der Leitung des Comenius-Gartens in Berlin-Neukölln tätig, wo sie sich mit Wissenschafts-, Demokratiegeschichte und Kinderwissen beschäftigt. Außerdem ist sie als zertifizierte Geschichtenerzählerin aktiv und forscht zum Verhältnis des Mündlichen und Schriftlichen.