Kino, Revolution, Befreiung von Lenin bis Black Power

Lorenz Hegel
Kino, Revolution, Befreiung: von Lenin bis Black Power

Seminar, Deutsch/English, 2 SWS, 2 ECTS, 5 Plätze
Donnerstags, 16-18 Uhr, wöchentlich ab 21.4.2022, Hardenbergstr. 33, Raum 110
Um Anmeldung bis zum 10.4.2022 unter hegel.lr_ @gmail.com wird gebeten.

»Von allen Künsten ist das Kino für uns die wichtigste.« Dieser vielzitierte Satz Lenins beschreibt programmatisch die Bedeutung des Films in der frühen Sowjetunion. Kein bloß unterhaltendes oder künstlerisches, sondern ein revolutionäres Medium soll das Kino werden: die Fortsetzung der Revolution mit ästhetischen Mitteln. Ob im Dienste eines entstehenden sozialistischen Staates oder im Widerstand gegen Formen der Ausbeutung und Unterdrückung, gegen (Neo-)Kolonialismus und Rassismus; das Kino ist eng mit den politischen Kämpfen des zwanzigsten Jahrhunderts verbunden.

Das interdisziplinäre Seminar folgt dieser anderen, militanten Geschichte des Kinos vom Hafen von Odessa zum Guerillakrieg in Vietnam, von Straßenschlachten in Argentinien zur Frauenbewegung in West-Berlin. Dabei wird eine Vielzahl filmischer Formen betrachtet, die sich in ihrem Einsatz von Montage, Rhythmus, Ton und Sprache den Konventionen der Filmindustrie ebenso wie der einfachen Unterscheidung von »Dokumentation« und »Fiktion« widersetzen.

Den Filmen wird eine Textauswahl gegenübergestellt, die theoretische und philosophische Analysen sowie ästhetisch-politische Manifeste und Interventionen umfasst. In Auseinandersetzung mit diesem vielförmigen Film- und Textmaterial wird das Seminar unter anderem das Verhältnis von struktureller und revolutionärer Gewalt, von Affekt und Reflexion, Bild und Ideologie, Kritik und Agitation diskutieren. Politische Kategorien wie Klasse, Gender, Race, Nationalität, aber auch Solidarität, Internationalismus und Liebe bilden dabei wichtige Ansatzpunkte.

Texte (engl./dt.) und Filme (mit engl. UT) von Sergej Eisenstein, Bertolt Brecht, Walter Benjamin, Che Guevara, Glauber Rocha, Sarah Maldoror, Jean-Luc Godard, Mao Zedong, Angela Davis, Huey Newton, Herbert Marcuse, Hito Steyerl, u.a.

Vorkenntnisse in Filmanalyse und/oder –geschichte sind hilfreich, aber nicht notwendig. Voraussetzung ist einzig die Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit anspruchsvollen Filmen in Form und Inhalt, ihre Sichtung vor jeder Sitzung und die Lektüre der begleitenden Texte. Alle Filme und Texte werden mindestens eine Woche vor der jeweiligen Sitzung online bereitgestellt. Jede Sitzung wird mit einem zehnminütigen Impulsvortrag eingeleitet, auf den close reading und Diskussion ausgewählter Filmszenen und Textpassagen folgen. Im Laufe des Semesters wird jede*r der Seminarteilnehmer*innen zudem jeweils eine kurze schriftliche Reflexion zu einem Film und einem Text seiner/ihrer Wahl anfertigen. Diese Reflexionen werden eine wichtige Grundlage der Diskussion bilden.

Leistungsanforderungen: regelmäßige, aktive Teilnahme, 2 kurze schriftliche Reflexionen (300-500 Wörter).

Lorenz Hegel forscht und lehrt seit 2017 als Doktorand der Film- und Medien- sowie der deutschen Literaturwissenschaft an der Yale Universität in New Haven, Connecticut. Zuvor studierte er Philosophie und Literaturwissenschaft in Hildesheim, Paris und Berlin. Sein Dissertationsprojekt untersucht infolge revolutionärer Ereignisse entstandene ästhetische und mediale Praktiken anhand des frühen sowjetischen Kinos und Jean-Luc Godards und Anne-Marie Miévilles Film- und Fernseharbeiten aus den Jahren nach 1968. Seine Arbeit ist unter anderem beeinflusst von historischem Materialismus und Marxismus, den Medientheorien Bertolt Brechts und Walter Benjamins sowie der Philosophie Gilles Deleuze’ und Jacques Rancières. Sein Interesse gilt einer Gegengeschichte des Kinos, die insbesondere das Verhältnis von Filmästhetik, Ideologiekritik und politischer Theorie und Praxis im Kontext antikolonialer, antiimperialistischer und im weiten Sinne emanzipatorischer Bewegungen in den Blick nimmt.