Wahrnehmung und Wirkung

Dr. Cornelia Heering
Wahrnehmung und Wirkung

Seminar, Deutsch, 2 SWS, 2 ECTS
Dienstags, 14-16 Uhr, wöchentlich ab 26.4.2022, Hardenbergstr. 33, Raum 150

Wodurch dringt etwas, eine Erfahrung, ein Erlebnis, ein Bild oder eine Situation, in unser Gedächtnis? Und wodurch wird dies dann in unserem Bewusstsein derart stark „repräsentiert“, dass es eine Wirkung in unserem Handeln bekommt? Geht man von der These aus, dass unser Gehirn ein „Aufnahmeapparat“ ist, der durch die Ontogenese der menschlichen Kognition in einem langen Prozess entwickelt wurde, und der sich gegen die Eindrücke, die auf ihn wirken, nicht wehren kann, so ist die Frage, wodurch und wann ein bewusster „Interpretationsprozess“ in Gang gesetzt wird, der nur unserer Species eigen ist und der Wahrnehmung eine willentliche Wirkung folgen lässt. Und die daraus folgende Frage ist, wie wir in unseren Vorstellungen daraus diejenigen Schlüsse ziehen, die auch künstlerisches Schaffen beeinflussen.

In dem Seminar soll – angeregt durch die Lektüre von Texten aus Philosophie, aus Kunstgeschichte und aus dem Bereich Wahrnehmungstheorie –  der Frage nachgegangen werden, wie es vom rezipierenden Subjekt doch zu beeinflussen ist, dass die Wahrnehmung der Außenwelt eine Wirkung nach innen und auf unsere Imagination, und unser Schaffen hat, selbst wenn sie uns nicht sofort bewusst ist. Welche Rolle der Faktor Zeit bei der Erschaffung von Kunstwerken, die eine Wirkung haben sollen, dabei spielt, wird in besonderer Weise unter Berücksichtigung der „Zwischenräume der Wahrnehmung“, die Maurice Merleau-Ponty in seiner „Phänomenologie der Wahrnehmung“ beschreibt, betrachtet. In ihrem Buch „Gespräche über Bewusstsein“ hat Susan Blackmore 2007 Vertreter unterschiedlicher philosophischer und psychologischer Fachrichtungen daraufhin befragt, welche kontinuierliche Wirkung, die wir nicht abstellen könnten, selbst wenn wir es wollten, das „Bewusstsein“ unserer Wahrnehmungsfähigkeit für uns hat. Die Teilnehmer*Innen des Seminars werden aus den Ergebnissen dieser Befragung Überlegungen ableiten, die für die Interpretation von Entstehungs- und Wirkungsbedingungen von Kunstwerken relevant sein können. Mit eigenen Beispielen können die Teilnehmer und Teilnehmerinnen aus ihrem aktuellen Schaffen und den Themen ihres Studiums Untersuchungen dazu anstellen, welche Zusammenhänge zwischen Wahrnehmung und Wirkung bestehen und wie diese zu beschreiben sind.

Literatur (Auszüge):
Susan Blackmore: Gespräche über Bewusstsein (2007)
Maurice Halbwachs: Das Gedächtnis und seine sozialen Beziehungen (1966)
Maurice Merleau-Ponty: Phänomenologie der Wahrnehmung (1965)
Michael Tomasello: Mensch werden – eine Theorie der Ontogenese (2020)
Johann Gottfried Herder: Über den Ursprung der Sprache (1770)
Charles Taylor: Das sprachbegabte Tier (2017)
Jaques Lacan: Das Begehren und seine Deutung (2020)
Claude Lévi-Strauss: Der Weg der Masken (1975)
Horst Bredekamp: Theorie des Bildaktes (2010)

Leistungsanforderungen für den unbenoteten Studium Generale Leistungsschein: Regelmäßige Teilnahme, Gestaltung einer Sitzung durch ein Referat / eine Präsentation auf der Grundlage der Lektüre eines der ausgewiesenen Texte.

Cornelia Heering studierte Germanistik und Philosophie an der Westfälischen Wilhelm-Universität Münster. Sie promovierte zur Dr. phil. mit einer Arbeit über das Thema „Die Kultur des Kriminellen – Literarische Diskurse zwischen 1918 und 1933“. Sie verantwortete in verschiedenen Verlagsgruppen die Strategie, das Programm und die Einführung von Werken in den Markt. Als Lehrbeauftragte führte sie Seminare u.a. zu den Themen „Bildung und Spiel“, „Am Anfang steht das ABC-Buch“, „Rebellion gegen die Weiblichkeit“ an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und u.a. zu den Themen „Wahrnehmung und Muster“, „Wahrnehmung und Transformation“, „Wahrnehmung und Konstitution“ an der Universität der Künste, Berlin, durch.