Heimatkonstruktion, Musik und Medienkultur

Dr. Maria Fuchs
Heimatkonstruktion, Musik und Medienkultur

Online & hybrides Blockseminar, 2 SWS, 2 ECTS, 5 Plätze
Vorbesprechung: Mo, 03.05., 16-17:30 Uhr
Block 1 Fr, 14.5., 16-19 Uhr / Sa, 15.5., 10-13 und 15-18 Uhr
Block 2 Fr, 9.7., 16-19 Uhr / Sa, 10.7., 10-13 und 15-18 Uhr
Die Vorbesprechung und der erste Blocktermin im Mai finden digital statt. Der Blocktermin im Juli wird (wenn es Corona zulässt) im Seminarraum 302 inder FA1B stattfinden.
Um Anmeldung bis spätestens 14.4. unter fuchs-maria_ @mdw.ac.at wird gebeten.
Achtung:
Für Studierende der Fakultät Musik nicht als Studium-Generale-Leistung anrechenbar!

Der Heimatfilm als spezifisch deutschsprachiges Filmgenre wird heute vielfach mit seiner populärsten Phase in den 50er Jahren verbunden. Nach dem Erfolg des Nachkriegsfarbfilms Schwarzwaldmädel (1950) erlebte der Heimatfilm bis Ende der 1950er Jahre seine Blütezeit, behandelte er doch die zentralen Anliegen von kultureller Identität und sozialer Zugehörigkeit im fortschreitenden nationalen Wiederaufbauprozess nach dem Zweiten Weltkrieg. Zugleich entführte er räumlich sein Publikum in eine vom Krieg weitgehend unzerstörte ländliche Idylle (Alpen, Schwarzwald, Heide, Bodensee, Wachau, Salzkammergut), entlockte deren touristische Qualität und schilderte etwa durch Tanz- und Musikeinlagen die regionalen Besonderheiten. Die Filme trugen so wesentlich zum Selbstverständnis der österreichischen und bundesdeutschen Nachkriegsgesellschaft bei. Insbesondere brachte dieses Genre Schlagerlieder hervor, die neben ihrer Funktion als Filmmusik ein Eigenleben entfalten konnten, das bis heute in der Tourismuswerbung identitätsstiftend nachwirkt.

Nachdem wir uns der Funktion der Tonfilmschlager in verschiedenen Heimatfilmen und Varianten davon (wie etwa in Bergfilmen, Tourismusfilmen und Schlagerfilmen) widmen, sollen die mediale Verbreitung der Lieder (Schallplatte, Radio, Notenliteratur, Werbe- und Pressetexte) sowie die unterschiedlichen Praxen der Aneignung (Hören, Tanzen, Sammeln, Nachsingen und -spielen) in den Blick genommen werden, um hierdurch das komplexe Wechselverhältnis zwischen Medien und Kultur herauszuarbeiten.

Übergreifendes Ziel dieser Lehrveranstaltung ist es, den Wert der Quellen, in denen uns die Tonfilmschlager begegnen, für eine medienkulturwissenschaftlich und zeitgeschichtlich basierte Forschung populärer Musik kritisch zu diskutieren. Im Zuge dessen werden wir uns auch mit Archiven für populäre Musikforschung wie dem Zentrum für Populäre Kultur und Musik (ZPKM) in Freiburg beschäftigen.

Literaturhinweise:
Gundolf GRAML: Revisiting Austria. Tourism, Space, and National Identity, 1945 to the Present, New York u.Oxford 2020.
Johannes VON MOLTKE: No Place Like Home. Locations of Heimat in German Cinema, Berkeley 2005.
Tim BERGFELDER: “Between Nostalgia and Amnesia: Musical Genres in 1950s German Cinema”, in: Bill MARSHALL and Robynn STILWELL (Hgg.): Musicals –Hollywood and Beyond, London 2000, S. 80-88.
Andreas HEPP: Medienkultur. Die Kultur mediatisierter Welten, Wiesbaden 2013.
Brian CURRID: “A song goes round the world’: the German Schlager, as an organ of experience”, in: Popular Music 19 /2 (2000), S. 147–180.
Bodo MROZEK: „Geschichte in Scheiben. Schallplatten als zeithistorische Quellen“, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History

, Online-Ausgabe 8 (2011), H. 2, DOI: doi.org/10.14765/zzf.dok-1653


Rainer E. LOTZ, Michael GUNREM und Stephan PUILLE (Hgg.): Das Bilderlexikon der deutschen Schellackplatten. The German Record Label Book

, 5 Bde., Holste 2019, URL: www.youtube.com/watch

Maria Fuchs ist Erwin-Schrödinger-Stipendiatin (Postdoc) am Zentrum für Populäre Kultur und Musik der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und Projektleiterin des FWF Forschungsprojektes "Soundscapes von 'Heimat': Musikalische Kartographierung im Heimat- und Bergfilm (1930–1970)". Sie studierte Musikwissenschaft, Komparatistik und Gender Studies an der Universität Wien und der Freien Universität Berlin. 2012–2014 war sie Stipendiatin der Universität Wien und des DAAD mit einem Studien- und Forschungsaufenthalt am Institut für Musik- und Medienwissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin. 2015 promovierte sie an der Universität Wien mit einer Arbeit zur Theorie und Praxis der Stummfilmmusik. 2015–2020 Lehrbeauftragte an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien. Zahlreiche internationale Vorträge in den USA und Europa und Reviewerin für US-amerikanische und europäische Fachzeitschriften wie Forschungsinstitutionen.