Zerrissene Verknüpfungen skizzenhafter Welterzeugung – in Literatur, Musik und Zeichnungen

Prof. Dr. Thomas Düllo
Zerrissene Verknüpfungen skizzenhafter Welterzeugung – in Literatur, Musik und Zeichnungen

Blockseminar, Deutsch, 2 SWS, 2 ECTS
Präsenzblock 19.-23.7.2021, 10-16:30 Uhr, Hardenbergstr. 33, Raum 110

Es gibt Diagramme, Kosmogramme, auch Schizogramme, es gibt wohl auch so etwas wie Skizzogramme – die Verbindung von Skizze mit dem Diagramm, also von etwas Vorläufig-Entworfenem und einem ersten Ordnungsvorschlag. Das Seminar macht den Vorschlag, solch skizzenhafte ‚Weisen der Welterzeugung‘ zu identifizieren und zu beschreiben – in literarisierten, nicht selten philosophisch grundierten, oft autobiografischen Kurzformen, in der Musikformation des „folky-jazzy-acid-blues“ sowie in Zeichnungen von Autor*innen, Architekturtheoretiker*innen und Grafiker*innen. Gleichermaßen sollen die Teilnehmer*Innen dazu aktiviert werden, selbst solche Skizzogramme zu verfassen und zu gestalten. In textlicher, musikalischer, zeichnerischer oder auch performativer Ausprägung.

Was Roland Barthes über die Zeichnungen von Cy Twombly sagt, trifft den Kern des Skizzogramms. Sie sind Gekritzel, linkisch, zwiespältig, deplatziert, Gebärdenmacherei: „Die Gebärde, die sie hervorbringt, indem sie sich hineinziehen läßt: ein Gewirr, fast ein Geschmier, eine Schlamperei“ mit „extremer Eleganz“. Die gattungslosen Skizzogramme funktionieren wie Bewegungsmelder: innerer wie äußerer Bewegungen. Die Verknüpfbarkeit und Verweisungszusammenhänge dieser so flüchtigen wie pointierten Notationen sollen im Seminar verfolgt und erprobt werden. Damit betreten wir durchaus Neuland, denn Skizzogramme, das ist ja ein Neuwort. Und zugleich schicken wir in der Veranstaltung diese Entwürfe in eine Versuchsanordnung: in die Analogie und Parallelität von Text-, Bild- und Musikskizze. Namen, die häufig fallen werden: Pessoa, Mayröcker, Dyer, Espedal, Perec, Derrida, D.H. Lawrence, Calvino, Aira, Cortázar, Valéry und Tim Buckley, John Martyn, Laura Nyro, Michael Chapman, Robert Wyatt,  Laura Marling, Kendrick Lamar, Fiona Apple sowie A. Warburg, R. Venturi, A. Töpfer, C. Twombly, Y. Saint-Laurent, E. Ruscha.

Das Seminar richtet sich an Studierende, die eine Affinität zu Texten, Zeichnungen, Musiken, Entwürfen haben – sowohl in deren Wahrnehmung als auch, um diese Kurzformen zu nutzen und selbst zu kreieren. Als Instrumente rohen, unmittelbaren Sich-Ausdrückens und diagrammartigen Entwerfens – zwischen Unordnung (Skizze) und Ordnung (Diagramm).

Leistungsanforderungen für den unbenoteten Studium-Generale-Schein: Neben der aktiven,durchgehenden Teilnahme ist die selbständige Erstellung und/oder Analyse von Skizzogrammen erforderlich.

Thomas Düllo ist Pensionist und war 2009 bis 2020 Professor für Texttheorie /Verbale Kommunikation an der Universität der Künste Berlin und lange Zeit Geschäftsführender Leiter des Studium Generale. Seine Schwerpunkte sind Texttheorie, Narrationsforschung, Wissen der Literatur, Strategie und Kultivierung, Transformationsforschung, Lesarten und Fabrikationen des städtischen Raums und der Popkultur. Letzte Monografien: Strategie als Kultivierung (mit Franz Liebl) (2015); Abwegen und Abschweifen. Versuch über die narrative Drift (2015); Kultur als Transformation (2011).