Giorgi Jamburia

 

Selbstverfasster Lebenslauf für die Bewerbung an der Universität der Künste Berlin. Studiengang Szenisches Schreiben. (Überarbeitete Fassung)

Geboren bin ich am 19. November 1992 in Tbilisi, der Hauptstadt von Georgien. Zu der Zeit war Georgien selbst als unabhängiger Staat so knapp 2 Jahre alt. Der Herbst damals war gries und regnerisch und in zentralen Straßen der Stadt fielen Schüsse, vor allem nachts. Die Bürger waren gerade dabei auszuprobieren, was man so alles mit dieser neuen Unabhängigkeit machen könnte. Jemand hatte dann diese Idee über Politik mit Waffen statt Worten zu reden. Einige fanden die Idee furchtbar toll, die anderen überhaupt nicht und machten genau deshalb mit.

Meine Kindheit verlief daher in einer teils zertrümmerten Stadt, wo es den Strom nur paar Stunden am Tag gab. Ehrlich gesagt, fand ich es überhaupt nicht schlimm. Einerseits hatte ich keine Ahnung, dass es auch anders sein könnte und andererseits fand ich den Geruch von diesen alten Gaslampen irgendwie geil. Die Schule dagegen war nicht so toll: es gab viel zu viele Jungs, die Fußball besser spielen konnten als ich und ich wollte ja ein Profifußballer werden.

Mit 12 fing ich dann an zu schreiben. Es gab so ein Kurs fürs kreative Schreiben, den der ältere Sohn von der Freundin meiner Mutter besuchte und der fand es einfach super. Also beschloss meine Mutter, dass ich es auch versuchen sollte. Am Anfang wollte ich nicht hin, dann hat die Mutter irgendwie geschafft mich zu überreden. So fing ich an dort zu sitzen und zu träumen. Wenig später, auch zu schreiben.

Mit 16 gab es dann Austauschsemester in Zürich, weil Deutsch in meiner Schule die erste Fremdsprache war und weil ich es so gut konnte. Die Zeit in Schweiz war toll. Ich hab mich selbst besser und noch viele nette Menschen kennengelernt. Fast jeder fand es irgendwie witzig, dass ich Giorgi heiße und aus Georgien bin. Als ich zurückkam, konnte ich nicht mehr so gut deutsch. Dafür sprach ich Schwyzerdütsch und hatte einen großen Sack voll von obskuren Geschichten, die ich gern weitererzählte.

Den Kurs im kreativen Schreiben besuchte ich weiter, bis ich irgendwann merkte, dass mir gegenüber im Kurs keine Kritik mehr kam. Ich hatte irgendwie gelernt so zu schreiben, dass es alle mochten. Mit reinem Kalkül. „Gut für die Unterhaltung, aber Kunst ist es nicht“. Darauf brach ich den Kurs ab und hörte auf mit Schreiben.

Mit 18 die Schule abgeschlossen. Gleichzeitig auch ein Stipendium vom DAAD für das Studium in Deutschland erhalten. Ein Jahr am Studienkolleg in Heidelberg, danach Berlin. Ein neues Zuhause, das sich echter anfühlt, als das tatsächliche. Studium der Deutschen Philologie und Philosophie an der Freien Universität. Jeder, den ich kenne, hat mich mindestens einmal gefragt, was ich damit in der Zukunft machen werde. Ich versuche jedem eine neue Antwort zu geben. Vom Taxifahren bis in Uni lehren. Zur selben Zeit ein intensives Selbststudium des Berliner Nachtlebens und Gründung einer Onlinezeitschrift über elektronische Musik und Klubkultur. Bisher die Einzige in georgischer Sprache.

Und nun an der UdK. Immer noch keine Ahnung, worum es im Leben so geht. Ein Paar Sachen kann ich aber mit Sicherheit sagen: Die Welt ist nicht perfekt. Das Wirtschaftssystem, das unser Leben so bestimmt, ist ziemlich scheiße und man kann praktisch nichts dagegen tun. Ich will nicht die Erwartungen meiner Eltern und des DAAD erfüllen und die akademische Berufsbahn einschlagen. Auch nicht ständig auf das Wochenende warten, mit dubiosen Gelegenheitsjobs fürs Brot verdienen, die Zeit mit Rauschmitteln vertreiben und das ganze Leben zwischen schönen Illusionen und harschem Alltag hin und herpendeln.

Ich habe schon etwas Zeit gebraucht, bis ich sagen konnte, was ich wirklich machen will. Wirklich. Natürlich, wenn man das Fußballgucken nicht dazu zählt. 

Quelle: Giorgi Jamburia