Sarah Kilter

Geboren am algerischen Nationalfeiertag in Berlin. Leider reichlich zu spät, um diese Mauersache zu verstehen. Immer nur die Mama und den Opa einige Tage nach meinem Geburtstag während der berüchtigten Worte heulend vorm Fernseher gesehen. Aber eben nie verstanden. Zunächst am Nordufer aufgewachsen in dem bunten Neubaukomplex, den man sieht, wenn man mit der Ringbahn vom Westhafen zum Wedding fährt. Den Vater schon bald im Wedding gelassen, mit der Mutter nach Charlottenburg gezogen und die Nachmittage nicht mehr mit Opa in der Rehberge verbracht sondern beim Psychologen. Jetzt auch „früher war alles besser“ verstanden. Meine Menarche auf der Raststätte Köckern bekommen, die wir mit den Worten „in Köckern muss man keckern“ befuhren. Anschließend eine Begeisterung für schlechte Wortspiele und Reime entwickelt. Aus dem Wedding erreichten mich die Worte „über seine Periode spricht man nicht“. Beschlossen, doch wenigstens das selbst zu entscheiden. Das war´s dann aber auch an Rebellion. Da ich es trotz ausdrücklichen Wunsches meiner Klassenkameraden einfach nicht schaffen wollte mich zu einer Giacometti Figur zu mausern, entschied ich die Schule hinter mir zu lassen. Den ganzen Tag im vergilbten Bademantel auf der Matratze ohne Lattenrost gelegen. Wollte so gerne sinnvoll sein, aber wusste nicht wie. Habe viel geträumt, mich aber nie getraut das laut zu tun. Gangsta-Rap und Ton Steine Scherben gehört. Es war an der Zeit sich festzulegen. Die sagenhafte Schuhgröße 43 erreicht. Da bleiben einem nur Sneaker oder Dr. Martens. Angefangen in Dr. Martens zu arbeiten. Damit hatte sich glücklicherweise auch die Frage mit der Musik geklärt. Auf der Abendschule meinen Realschulabschluss nachgeholt. Mich mit dem Lesen immer schwer getan, dem Buch das Hörbuch vorgezogen. Irgendwann hat irgendjemand gesagt: „Die besten Musiker sind die, die keine Musik hören“. Fühlte mich bestätigt und glaubte, das wird sich bestimmt mit dem Schreiben ähnlich verhalten. Habe weiterhin lieber Fernsehen geguckt. Damit meine Wochenenden verbracht. Das waren schöne Wochenenden. Irgendwann bemerkt, dass ich des Riechens unfähig bin. Meine Psychologin sagt, das sei ein Hinweis auf ein Trauma. Meine Mutter setzt dem hingegen, dass es ein Hinweis darauf sei, dass ich zu viele Rindernieren bei geschlossenem Fenster gebraten und verzehrt habe. Daraufhin meinte meine Psychologin, letzteres sei womöglich das Trauma. Auf einem Abendgymnasium gelandet. Beschlossen mein Leben nicht zu opfern, um es irgendwelchen Idioten heimzuzahlen. Auch beschlossen gut zu sein, so wie ich bin. Den Beschluss wieder verworfen, um ihn dann wieder gültig zu machen. Nicht verstanden, warum diese Hin und Her, dieses Wirrwarr kein Ende nimmt. Beschlossen, dass man das Leben nennt. Diesen Beschluss nicht mehr verworfen.