Widerklang

Quelle: Udk Berlin

WIDERKLANG

Widerklang ist eine neue Veranstaltungsreihe von operationderkuenste, die sich mit Musik als Mittel des politischen Widerstands beschäftigt. Wir wollen Musik von Menschen, die nicht musizieren durften oder dürfen - vor allem Musik von Frauen* und anderen unterdrückten Geschlechtern - eine Bühne geben.

Den Auftakt der Reihe bildet eine Performance zu Ilse Webers Liederzyklus “Ich wandre durch Theresienstadt” am 27. Januar 2023 (Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus).

Wir brechen mit einem klassischen Konzertformat und bespielen die Flure der Universität der Künste Berlin. Damit stören wir bewusst den Studienalltag und bringen die Musik und Texte aus Theresienstadt auf direktem Weg in den Alltag der Studierenden, Angestellten und Besucher*innen. Wir wollen aktiv dem Vergessen entgegenwirken und hinterlassen Spuren, die als Erinnerungsstücke einen Platz in unserer Gegenwart finden sollen.

 

“ICH WANDRE DURCH THERESIENSTADT”

in den Fluren der UdK Berlin:
13 Uhr Medienhaus
15 Uhr Lietzenburgerstr. 45
18 Uhr Hardenbergstr. 33

In der nationalsozialistischen Propaganda diente das Konzentrationslager Theresienstadt als das „Vorzeige-Ghetto“. Dieser Ausnahme-Status erlaubte den Häftlingen (teils sehr berühmten Künstler*innen) ein Kulturleben mit Konzerten und Opernaufführungen. Diese wurden jedoch immer wieder auch als Vorzeige- und Unterhaltungsshows für die SS-Soldaten instrumentalisiert und die Musiker*innen waren der ständigen Willkür der Nazis ausgeliefert.

„Musik in Theresienstadt, das war für mich eine ganz außergewöhnliche Erfahrung; es war, als ob Engel in der Hölle singen würden“, so eine Zeitzeugin über die Bedeutung von Musik im Konzentrationslager Theresienstadt.
Musik und gemeinsames Musizieren diente als kollektiver Zufluchtsort, Ausdruck von Leid und Sehnsucht, stärkte das Gemeinschaftsgefühl und konnte Trost spenden in dieser lebensfeindlichen Umgebung.

 

Ich wandre durch Theresienstadt,
das Herz so schwer wie Blei,
bis jäh mein Weg ein Ende hat,
dort knapp an der Bastei.

Dort bleib ich auf der Brücke stehn
und schau ins Tal hinaus.
Ich möcht so gerne weitergehn,
ich möcht so gern ­ nach Haus.

„Nach Haus!“ ­ du wunderbares Wort,
du machst das Herz mir schwer.
Man nahm mir mein Zuhause fort.
Ich habe keines mehr.

Ich wende mich betrübt und matt,
so schwer wird mir dabei.
Theresienstadt, Theresienstadt,
wann wohl das Leid ein Ende hat ­
– wann sind wir wieder frei?

 

In Liedern, Briefen und Gedichten erzählt Ilse Weber vom Alltag unter den Zwängen der NS-Diktatur, dem Schmerz über die Trennung von ihrem Sohn und die Verzweiflung und Ungläubigkeit über das Ausmaß menschlicher Brutalität. Die Wiegenlieder, mit denen sie die Kinder in der Kinderkrankenstube in den Schlaf sang, schaffen Momente von Geborgenheit und Wärme.

 

ILSE WEBER

Ilse Weber (1903, Witkowitz – 1944, Auschwitz-Birkenau) ist eine deutschsprachige Schriftstellerin. Während des Zweiten Weltkriegs ist die Jüdin gezwungen, mit ihrem Ehemann Willi Weber und ihren zwei Söhnen Hanuš und Tomáš die tschechoslowakische Heimatstadt Witkowitz zu verlassen. Der ältere Sohn Hanuš wird zu einer Freundin der Familie nach Schweden verschickt und überlebt dort den Krieg, die restliche Familie zieht nach Prag. Die Eltern, insbesondere Ilse Weber, versuchen, über regen Briefwechsel die Beziehung zu ihrem Sohn aufrechtzuerhalten.

1942 wird die Familie in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert, wo Ilse Weber beginnt in der Kinderkrankenstube zu arbeiten. In der Nacht schreibt sie Schlaflieder und Gesänge für die Kinder und verarbeitet ihre Erlebnisse in zahlreichen Gedichten. Als die Kinderkrankenstube im Herbst 1944 in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert wird, schließt sich Ilse Weber dem Transport freiwillig an und begleitet die Kinder, unter denen auch ihr Sohn Tomáš ist, in den Tod. Willi Weber überlebt den Krieg und kann das Werk seiner Frau, das er in Theresienstadt eingemauert hatte, in Sicherheit bringen und gemeinsam mit anderen Briefen, Gedichten und Liedern, die über verschiedene Wege nach dem Krieg auftauchen, veröffentlichen.

 

OPERATIONDERKUENSTE

operationderkuensteist ein junges Musiktheaterkollektiv, in dem Beteiligte diverser Kunstformen zusammenkommen, um einen Beitrag zu gesellschaftlich relevanten Themen zu leisten. Wir sehen uns als Ensemble, das voller Neugier und Mut steckt, zu seinen Überzeugungen steht und experimentierfreudig und gesellschaftskritisch an Werkauswahl, Erarbeitung, Inszenierung und den uns selbst auferlegten Bildungsauftrag herantritt.
Bei unserer Gründung im Herbst 2018 haben wir uns zum Ziel gesetzt, die im Musiktheaterbetrieb vorherrschenden hierarchischen Strukturen aufzubrechen. Gemeinsam möchten wir den Rahmen für ein künstlerisches Arbeiten schaffen, das auf einem nicht wertenden Miteinander basiert und den respektvollen Umgang als erstes Ziel hat. Dazu gehört ein allgemeines Mitspracherecht bei jeder musikalischen, darstellerischen, organisatorischen oder konzeptionellen Frage und regelmäßige Gesprächsrunden, in denen alle Beteiligten zu Wort kommen können. Unser Ziel ist so interdisziplinär zusammenzuarbeiten, dass Orchestermusiker*innen sich in die Inszenierung einbringen, Chorsänger*innen Ideen zur Interpretation eines Orchesterwerks äußern, bildende Künstler*innen performative Elemente ins Orchester bringen oder Sänger*innen Finanzanträge stellen.
Wir wollen einen warmen Ort schaffen, mit der Möglichkeit, sich auch auf fachfremden Feldern auszuprobieren – möglichst frei von gesellschaftlichen Erwartungen und Mustern.

 

BETEILIGTE: Julian Croatto, Lili Hillerich, Lukas Kleitsch, Johanna Madden, Ludwig Michael, Carla van der Minde, Charlotte Riemann, Anna Schors

https://operationderkuenste.de 
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