Boundary Set

Nicole Hauck

Nicole Hauck – Boundary Set
Quelle: Nicole Hauck

Boundary Set

Der Lockdown bringt viele verschiedene Schwierigkeiten mit sich. Eine davon ist der Anstieg häuslicher Gewalt. In mehrheitlichen Fällen sind es nicht fremde Menschen, die uns FLINTA* ¹ körperlich, psychisch und emotional bedrohen, sondern gerade auch die Menschen, die uns am nächsten stehen. Diese Beziehungen sind oft geprägt von emotionaler, familiärer oder finanzieller Abhängigkeit und sind durch die intime Täter-Opfer-Beziehung schwer von Außen zu erkennen, oder auch für die Opfer selbst schwer zu begreifen.

Oft ist eine Betroffenheit mit Angst und Scham verbunden. Angst, niemanden zu finden, die*der einem glaubt. Scham vor den Vorwürfen Außenstehender, weshalb man sich so behandeln lässt, oder wie man in so eine Situation geraten konnte – und auch Scham vor sich selbst.

Wie konnte mir das passieren?
Ist es meine Schuld?
Bilde ich es mir vielleicht nur ein?

Es ist schwer, in unseren Liebsten auch die missbrauchende Person zu erkennen. Missbrauch geht immer mit Machtverhältnissen und Manipulation einher, es ist ein unangenehmes Thema. Täter zielen darauf ab, die Realität ihrer Opfer zu verbiegen. Nur dadurch bekommen sie die Macht, andere zu missbrauchen.

Auch der öffentliche Raum ist für FLINTA* gefährlicher geworden. Die Krise hat in manchen ein gesteigertes Gewaltpotential und/oder einen höheren Sexualtrieb ausgelöst und zugleich bestehen weniger Möglichkeiten, diesen auszuleben. Auch das spüren wir täglich. Beleidigungen, löchernde Blicke, Übergriffe, Vergewaltigungen, Femizid und Mord. Missbrauch hat viele Gesichter und doch sprechen wir als Gesellschaft wenig darüber. Wenn überhaupt, dann sprechen wir über die Täter*innen: Wer, was, wann getan hat. Ob der/die Täter*in gefasst und welche Strafe verhängt wurde. Die Opfer sind oft unsichtbar oder nur wichtig, um dem/r Täter*in ein Gesicht zu geben.

Aber wie gehen wir als Betroffene damit um? Wie machen wir weiter? Welche Möglichkeiten haben wir? „Boundary Set“ ist eine Awareness Arbeit – eine Zuspruchsarbeit für Betroffene. Sie ist für alle, die sich in ihren Grenzen missbraucht fühlen. Für alle, die sich fragen, ob sie auf dem richtigen Weg sind. Für alle, die sich fragen, ob sie es wert sind, ob sie können, ob sie dürfen.

Grenzen zu setzen ist schwer. Bestimmte Gruppen werden von klein auf sozialisiert, ihre eigenen Grenzen für das Wohlergehen Anderer zu vergessen. Wenn man zu dieser Gruppe der Gesellschaft gehört, der ständig gesagt wird, sie solle ihren Fokus auf das Wohlergehen anderer, und nicht auf das eigene setzen, ist es klar, dass man Schwierigkeiten hat, die eigenen Grenzen zu erkennen und zu verteidigen. Es ist schwer, überhaupt zu akzeptieren, dass einem Unrecht getan wird und noch schwerer, Verhaltensmuster zu brechen – bisherige Überlebensstrategien hinter sich zu lassen. Und doch ist es wichtig und der einzige Weg raus aus missbräuchlichen Beziehungen. Nur durch eine konstante Auseinandersetzung mit unseren eigenen Grenzen, mit unserem eigenen Selbstwert, mit unseren eigenen Ansprüchen und Realitäten gibt es eine Verbesserung.

Von uns, für uns.

 


¹ FLINTA* steht für F: Frauen (evtl. heterosexuelle cis-Frauen) L: Lesben (homosexuelle Frauen) I: Intersexuelle Personen N: Nicht-binäre Personen T: Trans Personen (trans Männer und trans Frauen) oder Trans*gender A: Asexuelle Personen (Personen ohne /mit wenig sexuellem Verlangen), Aromantische Personen (Menschen die keine/wenig romantische Anziehung verspüren) und/oder Agender (Personen, die sich keinem Geschlecht zuordnen) * Nicht explizit erwähnte Personen, die sich nicht in eine der oben genanten sexuellen Orientierungen oder Geschlechtsidentitäten einordnen und (mit) gemeint sind.

 

Model: Philisha Kraatz // @ philisha_kay

Animation: Saskia Hundt // www.saskiahundt.com


Fashion: Camila Maldonado // @ maldonadoc__ // lnk.bio/aa8O


Regie: Nico Hauck // @ __le_nico__