Die Musikinstrumenten-Sammlung

Quelle: UdK Archiv

Die Musikinstrumenten-Sammlung

Passend zum Motto des Musikfestes Crescendo, InnenSaiten, befasst sich diese Folge der hochschulgeschichtlichen Reihe mit Saiten, die sich im Innern, nämlich im Gebäude Fasanenstraße der Fakultät Musik, befanden. Dort war bis 1935 eine museale Schausammlung zu besichtigen, aus der das Berliner Musikinstrumenten-Museum hervorgegangen ist.  

An führenden europäischen Konservatorien entstanden im Laufe des 19. Jahrhunderts bedeutende Sammlungen von Musikinstrumenten. Das heute zur Cité de la musique gehörende Musée de la musique in Paris bewahrt Musikinstrumente, die am Conservatoire zusammengetragen worden sind, und das Musikinstrumenten-Museum in Brüssel ging aus der 1877 am dortigen Konservatorium begründeten Sammlung hervor. Auch italienische Konservatorien, so das Mailänder Conservato­rio, besaßen kostbare alte Musikinstrumente. In Berlin war es, von einer kleinen Verspätung im Verhältnis zu den europäischen Nachbarn abgesehen, ähnlich: 1888 wurde für die Hochschule für Musik eine wertvolle Sammlung von Musikinstrumenten erworben, die den Grundstock des heutigen Musikinstrumenten-Museums bildet. Fast ein halbes Jahrhundert lang gehörte die Sammlung zur Hochschule. 1935 übertrugen sie die Nationalsozialisten jedoch auf das neu gegründete Staatliche Institut für Deutsche Musikforschung, das heutige Staatliche Institut für Musikforschung Preußischer Kulturbesitz.

Im Gebäude Fasanenstraße der Fakultät Musik ist noch zu erkennen, dass einst die Musikinstrumenten-Sammlung an der Hochschule ihren Platz hatte. Das Oberlicht im heutigen Kammersaal weist ebenso auf die frühere museale Nutzung hin wie der separate Zugang. Wer die Schausammlung besichtigen wollte, konnte sie vom Vestibül aus erreichen, ohne die für den Unterricht bestimmten Räumlichkeiten passieren zu müssen. Im Raumkonzept des 1902 bezogenen Gebäudes war eine Art von Museum enthalten.    

Den Anstoß für die Gründung gab, wie ihr Historiker, Alfred Berner, dargelegt hat, ein Leihgesuch aus London. Im März 1885 bat der Vorsitzende des Musikkomitees der International Inventions Exhibition, die damals vorbereitet wurde, um Leihgaben aus Berlin. Wie selbstverständlich ging er davon aus, dass die Berliner Hochschule passende Objekte besitzt. Das war aber nicht der Fall. In der Konkurrenz der europäischen Hauptstädte nicht mithalten zu können, war für den preußischen Staat unangenehm. Das Kultusministerium bemühte sich deshalb, den Mangel wettzumachen. Ausgerechnet aus Leipzig erwarb der preußische Staat deshalb kaum drei Jahre später eine Instrumenten-Sammlung. Der Cellist, Verleger und Sammler Paul de Wit – ein profunder Kenner alter und neuer Instru­mente, der die Zeitschrift für Instrumentenbau herausgab – hatte als Frucht seiner Sammeltätigkeit 1887 ein Museum alterthümli­cher Musikinstrumente eröffnet. Preußen muss ungefähr um diese Zeit mit de Wit in Kaufverhandlungen eingetreten sein, denn aus einem Brief Philipp Spittas vom Januar 1888 geht bereits hervor, dass der Erwerb geglückt war.

Auch der persönliche Einsatz Spittas, des Musikhistorikers der Berliner Hochschule, wird eine Rolle gespielt haben. Der Biograph Johann Sebastian Bachs hatte 1875 das Amt des Zweiten Sekretärs der Akademie der Künste angetreten und versah in dieser Funktion die Verwaltungsgeschäfte der Hochschule. 1873 war der erste Band seiner Bach-Biographie erschienen, die dem Oberlehrer am Gymnasium von Sondershausen in Thüringen den Weg nach Berlin geebnet hatte.

Der Grundstock der Sammlung de Wit umfasste 240 Objekte; die Übernahme von Musikinstrumenten aus dem Kunstgewerbemuseum, Stiftungen sowie Geschenke, unter anderem von Joseph Joachim, Spitta und der Familie Mendelssohn vermehrten bald den Be­stand. Die Musikabteilung der Staatsbibliothek überwies die Streichquartett-Instru­mente Ludwig van Beethovens, die Joachim jedoch an den Verein Beethoven-Haus in Bonn als dauernde Leihgabe abtrat. 1890 kaufte der preußische Staat eine zweite Kollektion von Paul de Wit, diesmal 282 Nummern umfassend. Be­sonderen Ruhm besaß in dieser Erwerbung ein doppelmanualiges Cembalo, das angeblich aus dem Besitz Johann Sebastian Bachs stammte.

Die Instrumente fanden in der Bauakademie am Schinkelplatz, nahe dem kaiserli­chen Stadtschloss, ihr erstes Berliner Domizil. Spitta übertrug die Aufgabe des Kustoden an seinen Schüler Oskar Flei­scher, der 1892 einen Führer durch die Sammlung alter Musik-Instrumente vorlegte. Im Jahr darauf wurde sie öffentlich zugänglich: Die Musikinstrumente konnten nun an jedem Dienstag und Freitag zwischen 12 und 2 Uhr kostenlos besichtigt werden.

Als die Sammlung ein Jahrzehnt später, im Herbst 1902, den Hochschulneubau in der Charlottenburger Fasanenstraße bezog, war die vorhandene Räumlichkeit allerdings schon wieder zu klein. Fast gleichzeitig mit dem Umzug gelang nämlich der Ankauf der Sammlung César Snoeck aus Gent. Es handelte sich, so Oskar Fleischer, um die „schönste aller Privat-Kollektionen“ auf ihrem Gebiet. Wie schon bei den Sammlungen de Wit trug der Dispositionsfonds Kaiser Wilhelms II. die Kosten. Fünf Eisenbahnwaggons waren erforderlich, um die Neuerwerbung nach Berlin zu transportieren. Nun bereichert um weitere 1.145 Objekte sowie um eine Fach- und Handbibliothek, umfasste die Berliner Sammlung jetzt ungefähr dreitausend Instrumente. Obwohl ein Teil von ihnen auf dem ungeheizten Dachboden gelagert werden musste, war es nun immerhin möglich, die Verbindung mit der Hochschule zu stärken. Im Jahresbericht 1909/10 heißt es zum Beispiel: „Es ist (...) die Einrichtung getrof­fen, daß der Vorsteher der Sammlung“, also Fleischer, „über die einzelnen Instru­mente und Instrumentengruppen Vorträge hält“. 1914/15 wurde eine „Reparaturwerkstatt“ eingerichtet.

Der Kunsthistoriker und Musikforscher Curt Sachs, ein bedeutender Kenner der Musikinstrumente und ihrer Geschichte, arbeitete 1914 für das preußische Kultusministe­rium ein Gutachten über die Sammlung aus. „Soweit sie die Geschichte der europäischen Kunstmusik von 1650 bis 1850 zu illustrieren bestimmt ist,“ schrieb er, „sind wesentliche Lücken nirgends fühlbar.“ So nehme sie auch im internationalen Rahmen eine „einzigartige Stellung als größtes und reichstes Museum abendländischer Musikinstrumente“ ein. In der Weimarer Republik übernahm Sachs, der sich 1919 an der Berliner Universität habilitierte, selbst die Sammlungsleitung. 1922 legte er einen Beschreibenden Katalog vor. Im Jahr darauf übernahm die Hochschule für Musik zusätzlich das Phonogramm-Archiv, das Carl Stumpf und Erich Moritz von Hornbostel am Psychologischen Institut der Berliner Universität aufgebaut hatten. Diese seit 1900 aufgebaute einzigartige Sammlung von Tonaufnahmen traditioneller Musik aus aller Welt vermehrte den Sammlungskomplex, für den die Hochschule verantwortlich war, um ein zweites Standbein. Bei der Gründung der Rundfunkversuchsstelle im Frühjahr 1928 erklärte der stellvertretende Hochschuldirektor, der Musikwissenschaftler Georg Schünemann, dass die geplanten Experimente hier besonders gut durchzuführen seien, weil auch auf die Instrumenten-Sammlung zurückgegriffen werden könne. 

Unmittelbar nach der nationalsozialistischen Machtübernahme verlor Curt Sachs als Jude seine Stelle; er emigrierte über Paris nach New York. Für kurze Zeit übernahm Schünemann die Sammlungsleitung, nachdem er als Hochschuldirektor geschasst worden war. Er organisierte unter Nutzung von Instrumenten aus dem Sammlungsbestand Konzerte mit alter Musik, an denen sich auch Paul Hindemith beteiligte. Im Februar 1935 wurde Schünemann an die Musikabteilung der Preußischen Staatsbibliothek versetzt, und die Musikinstrumente wurden der Hochschule abgenommen.

Die wertvollen Instrumente, deren Eigentümer die Universität der Künste heute ist, darunter eine Stradivari, stammen nicht aus der im Vorigen vorgestellten Sammlung. Sie kamen vielmehr einige Jahre nach deren Verlust, 1943, durch das Vermächtnis eines musikliebenden und vermögenden Arztes und Kunstsammlers an die Hochschule für Musik. Aloys Lautenschläger, so sein Name, hatte diese ebenso wie das Berliner Kunstgewerbemuseum in seinem Testament großzügig bedacht. Diese Instrumente werden heute von ausgewählten Studierenden und Lehrenden gespielt. Wer jedoch die seit 1888 entstandene museale Sammlung heute besichtigen möchte, findet sie im komfortablen Museumsbau neben der Berliner Philharmonie. Das Staatliche Institut für Musikforschung Preußischer Kulturbesitz, das auch Trägerin des Museums ist, erinnert heute mit seinem Curt-Sachs-Saal an den bedeutenden Sammlungsleiter der Jahre vor 1933.  

 

Autor: Dr. Dietmar Schenk, ehem. Leiter des Universitätsarchivs