DFG-Projekt: „Ereignis Darmstadt”. Die Internationalen Ferienkurse für Neue Musik 1964-1990 als ästhetischer, theoretischer und politischer Handlungsraum

Wilhelm Schlüter, Carla Fritz, Ernst Thomas, Carlo Alessandro Landini und Yoma Appenheimer in der Bibliothek des Internationalen Musikinstituts Darmstadt (IMD)

 Quelle: Fotograf: Manfred Melzer, mit frdl. Genehmigung des IMD

Als bevorzugter Treffpunkt der westlichen Avantgarde stellen die Internationalen Ferienkurse für Neue Musik Darmstadt ein vielversprechendes Forschungsfeld dar, um die komplexen in den 1960er bis 1980er Jahren ausgeprägten Perspektiven musikhistoriographisch anzugehen. Fasst man „Ereignis” nicht allein als systematische, sondern als historische Kategorie, liefert dies eine produktive Alternative zu den bisher vorliegenden Versuchen einer Geschichte der Musik dieses Zeitraums, die vor allem mit deren ästhetischer Vielfalt zu kämpfen hatten und Kohärenz meist nur um den Preis der ästhetisch systematisierenden Vereinfachung erreichen konnten.
Das Projekt beschränkt sich auf die Jahrgänge 1964 bis 1990, eine bisher unzureichend erforschte Periode der Ferienkurse, in der nicht nur die performativen Aspekte der Musik selbst in den Fokus rücken, sondern in der die vielfältigen, nicht selten unübersichtlich genannten Entwicklungen vor allem über den Diskussions- und Handlungsraum „Darmstadt” ihren Zusammenhang finden. Insofern benennt das „Ereignis Darmstadt“ ebenso die performative Dimension der dort aufgeführten Musik, wie die Ereignishaftigkeit des gesamten Kontextes. Die umfangreiche Quellenlage im Archiv des Internationalen Musikinstituts Darmstadt bietet für das Projekt eine ideale Basis: Ausgehend von einer Chronik und einer Teilnehmerdatenbank wird die Ereignishaftigkeit des damaligen Umgangs mit Musik anhand der in verschiedenen Medien überlieferten Quellen untersucht. Um die Bedeutung der Ferienkurse als ästhetischen, theoretischen sowie politischen Handlungsraum in der betreffenden Periode angemessen darzustellen, werden drei systematische Forschungsperspektiven eröffnet, die 1. die verschiedenen Erscheinungsformen von musikalischen Ereignissen, 2. ihr Verhältnis zu der dort verfolgten Theoriebildung und 3. ihre sozio-politische Dimension in den Blick nehmen.

Unter Leitung von Prof. Dr. Dörte Schmidt und Dr. Pietro Cavallotti hat das Projekt am 1. September 2011 seine Arbeit an der UdK aufgenommen. Es ist Teil des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Projektpakets „Musik als Ereignis. Perspektiven einer aufführungsbezogenen Musikhistoriographie".


Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter


Studentische Hilfskräfte

  • Mathis Krause, Felix Mahr (ehemals: Ute Jolowicz, Felix Marzillier)


Freie Mitarbeit

  • Sandra Kebig, Thorsten Müller


Kontakt

Forschungsprojekt "Ereignis Darmstadt" (DFG)
Universität der Künste Berlin, Fakultät Musik
Lietzenburger Str. 45, Raum 121, D-10789 Berlin
Telefon: 030 / 3185-2315
Email: ereignis-darmstadt(at)udk-berlin.de


Projektbezogene Publikationen:

Kim Feser, Susanne Heiter u. Dörte Schmidt, „‚Ereignis‘ Darmstadt. Das ‚Archiv‘ des Internationalen Musikinstituts Darmstadt oder: Wie überliefert man Auseinandersetzungen mit und über Kunst?“, in: Archive zur Musikkultur nach 1945. Verzeichnis und Texte, hg. v. Antje Kalcher u. Dietmar Schenk, München 2016 (Kontinuitäten und Brüche im Musikleben der Nachkriegszeit), S. 104–121.

Kim Feser, „Material“, in: Lexikon Neue Musik, hg. v. Jörn Peter Hiekel u. Christian Utz, Stuttgart u. Kassel 2016, S. 362–364.

Dörte Schmidt, „Komponieren als Antizipation. Entwurfspraktiken in der zeitgenössischen Musik und die Chancen einer vergleichenden Skizzenforschung“, in: Die Tonkunst 9 (2015) 2, S. 161–176.

Dörte Schmidt, „Die Behauptung des Autors. Komponieren unter den Bedingungen der Schriftkultur“, in: Klangbeschreibung. Zur Interpretation der Musik Wolfgang Rihms, hrsg. von Thomas Seedorf, erscheint 2015.


Projektbezogene Examensarbeiten:

Jana Göpper, "Freies Zusammenspiel". Über Vinko Globokars Improvisationskurs in Darmstadt 1970, Bachelor-Arbeit 2015.


Projektbezogene, unveröffentlichte Vorträge u.a.:

Pietro Cavallotti, Vortrag über „Karlheinz Stockhausen and the free Improvisation“ im Rahmen des Workshops „Improvised Music in Europe: 1966-1976“ (20./21.11.2012) an der Fondazione Giorgio Cini, Venezia.

Pietro Cavallotti, Vortrag über „Horatiu Radulescus Sound Plasma“ im Rahmen des Kongresses „Les espaces sonores“ (7.-9.12.2012) an der Hochschule für Musik Basel.

Pietro Cavallotti, Vortrag über „Avantgarde-Musik und soziopolitisches Engagement in den Darmstädter Debatten der 1960er und 1970er Jahre“, 13.8.2014 im Rahmen des Forschungstags „Darmstadt Studies“ bei den Internationalen Ferienkursen für Neue Musik, Darmstadt.

Kim Feser, Vortrag „The Stockhausen Ensemble, Darmstadt, and beyond – Osaka Expo ’70 as a turning point“ (Study Session „Darmstadt and Akiyoshidai: Institutional Influences and Historiographical Questions of International New Music Festivals“, 20. Kongress d. International Musicological Society, Tokyo 20.3.2017).

Kim Feser, Vortrag „Between compositional approach, technical configuration, and instrumental performance – dealing with complex electro-acoustic feedback“ („Darmstadt as Phenomenon and Event: The International Summer Course for New Music from 1964 to 1990“, The Ron Alexander Memorial Lectures in Musicology, Stanford University Department of Music, 13.3.2017).

Kim Feser, Vortrag „Composing circuitry – performing feedback. Aesthetic discourses and institutional conditions of electronic music in Darmstadt after 1970“ („Darmstadt as Phenomenon and Event: The International Summer Course for New Music from 1964 to 1990“, Harvard University Department of Music, 8.3.2017).

Kim Feser, Vortrag „Elektronik und Instrumente bei den Ferienkursen der 1960er und ’70er Jahre – Darmstadt als ‚Resonanz-‘ und ‚Handlungsraum‘ (Präsentation d. Forschungsprojekts „Ereignis Darmstadt“ b. XVI. Internationalen Kongress der Gesellschaft für Musikforschung, Mainz 15.9.2016).

Kim Feser, Vortrag zu aktuellen Forschungsfragen beim Panel „Archivprozesse als Gegenstand wissenschaftlicher und künstlerischer Forschung“, 26.4.2013 im Rahmen des Workshops „Performance und Archivprozesse“ (DFG-Projekt „Verzeichnungen. Medien und konstitutive Ordnungen von Archivprozessen der Aufführungskünste“), HZT/UdK Berlin.

Kim Feser, Vorlesung „Entgrenzte Kammern? ‚City Scale‘ vs. ‚Musik für ein Haus‘ – (elektro-)akustische Aufführungs- und Kompositionsräume in San Francisco 1963 und Darmstadt 1968", 4.2.2014 im Rahmen der Ringvorlesung „Durchlöcherte Tradition“? – Kammermusik im 20. Jahrhundert", UdK Berlin.

Kim Feser, Vortrag „Ansätze kollektiven Komponierens in den 1960er/1970er Jahren“, 13.8.2014 im Rahmen des Forschungstags „Darmstadt Studies“ bei den Internationalen Ferienkursen für Neue Musik, Darmstadt.

Kim Feser / Susanne Heiter, Vorlesung „Vom Ereignis zum Dokument? Zum Tonband-‚Archiv‘ der Darmstädter Ferienkurse“, 23.6.2015 im Rahmen der Ringvorlesung "Was uns die Quellen erzählen", UdK Berlin.

Susanne Heiter, Vortrag „‘... it’s impossible to perform this piece accurately, but we try ...‘ Zur Zusammenarbeit des Arditti-Quartetts mit Komponisten bei den Darmstädter Ferienkursen in den 1980er Jahren“ bei der Jahrestagung der Gesellschaft für Musikforschung, 17.-21.09.2013, an der Hochschule für Musik Dresden.

Susanne Heiter, Vorlesung "Wenn Fische Noten werden. Mit einer aktualisierten Interpretation der Tropical Fish Opera von Ramon Sender" zu aktuellen Fragen der Notation Anfang der 60er Jahre, 28.1.2014 im Rahmen der Ringvorlesung „Durchlöcherte Tradition“? – Kammermusik im 20. Jahrhundert, UdK Berlin.

Susanne Heiter, Vortrag „'Wichtig ist, dass man die ästhetische Diskussion wieder einführt' – Aesthetics Colloquia Anfang der 1990er Jahre", 13.8.2014 im Rahmen des Forschungstags „Darmstadt Studies“ bei den Internationalen Ferienkursen für Neue Musik, Darmstadt.

Dörte Schmidt, Vortrag „Musik und Musiktheorie nach dem zweiten Weltkrieg“, 2.6.2012 im Rahmen des internationalen Workshops „Institutions of Music Theory“, Wissenschaftskolleg zu Berlin.

Dörte Schmidt, Vortrag „Ist das Männliche das Allgemeine? Komponisten zwischen Abstraktion und Konkretion im Umfeld der Darmstädter Avantgarde“, 9.10.2012 im Rahmen der Ringvorlesung „Musik und Gender. Selbstaffirmierung und Othering der europäischen Musikgeschichte“, Universität Basel.

Dörte Schmidt, gemeinsam mit Christine Siegert, Vortrag „Musikhistorische Quellen und die Musik in der Kultur der Gegenwart“ (zu den historiographischen Konsequenzen der Quellenauswahl des DFG-Projektes „Ereignis Darmstadt“), 30.10.2012 im Rahmen der Ringvorlesung „Musik und Geschichte“, UdK Berlin.

Dörte Schmidt, Vortrag „The Artist is present. Notation und Autorschaft in der Musik nach 1950“, 15.6.2013 im Rahmen des Internationalen Symposiums „Die Autorisierung des Selbst: musikalische Autorschaft im 20. Jahrhundert“, Universität Wien.

Dörte Schmidt, Podiumsdiskussion „Zur Aktualität des Archivs" mit Jürgen Krebber, Michael Kunkel u. Ulrich Mosch (Moderation), 13.8.2014 im Rahmen des Forschungstags „Darmstadt Studies“ bei den Internationalen Ferienkursen für Neue Musik, Darmstadt.

Forschungsverbund "Musik als Ereignis. Perspektiven einer aufführungsbezogenen Musikhistoriographie" (DFG)

Das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte, universitätsübergreifende Forschungsunternehmen "Musik als Ereignis. Perspektiven einer aufführungsbezogenen Musikhistoriographie" richtet den Blick auf Musik als eine nicht-mimetische, auf klangliche Realisierung verwiesene Kunst. Denn erst durch die Praxis der Klanggestaltung wird Musik überhaupt erst zu Musik – von philosophisch-spekulativen Theorien einmal abgesehen. Dem Projekt zugrunde liegt die These, dass Musik in diesem Akt der Aufführung eine "prinzipielle Ereignishaftigkeit" entfaltet.
Der "Ereignis"-Begriff, sowohl als explanans als auch als explanandum, bietet sich als Klammer und Fokus für die verschiedenen historischen und begrifflichen Traditionen an. Da die jüngere Forschung ihn mit seinen philosophischen und ästhetischen Horizonten in den Blick fasste, eröffnet er diesem primär musikwissenschaftlichen Forschungsprojekt die Möglichkeit, die für Musik und ihre Aufführung geltenden Besonderheiten, welche das "musikalische Ereignis" von anderen Ereignistypen und -kategorien unterscheiden, herauszuarbeiten.


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