Fotografie-Projekt (BMBF-Projekt "Bildvorlagen")

Im Archiv der Universität der Künste Berlin haben sich wertvolle Bildvorlagen- und Modell-Sammlungen bewahrt, die an Vorgängereinrichtungen als Muster und Lehrmittel dienten. Die Lehrsammlungen entstanden an der Berliner Akademie der Künste und an der – 1875 gegründeten – akademischen Hochschule für die bildenden Künste –  sowie an der seit 1868 bestehenden „Unterrichtsanstalt“ des Kunstgewerbe-Museums. Die Sammlungen wurden 1924 in die Vereinigten Staatsschulen für freie und angewandte Kunst überführt, die damals aus der Zusammenlegung beider Ausbildungsstätten hervorging.

Zu einem großen Teil bestehen diese Lehrsammlungen aus originalen Fotografien, die bis in die 1850er Jahre, also die Anfänge des Mediums, zurückreichen. Die ursprüngliche Ordnung der – mit Zeichnungen und Grafik gemischten – Einzelblatt-Sammlungen hat sich bis heute erhalten. Mit ungefähr 40.000 Vorlagenblättern, darunter 25.000 Fotografien, zu denen noch Konvolute und Alben kommen, ist gerade der fotografische Teil innerhalb Deutschlands einzigartig.

Zu den gebräuchlichsten Bildmotiven gehören Kunstreproduktionen, Landschaften, Naturstudien von Wasser, Wolken, Bäumen, Pflanzen, Architekturen, Stillleben, Porträts, Genreszenen, Akte und Tierstudien sowie Orient- und Historiendarstellungen. Die Vorlagenstudien – in Frankreich als „Études d‘après nature“ verbreitet – stammen von bekannten europäischen und amerikanischen Fotografen: Fratelli Alinari, Ottomar Anschütz, Ludwig Belitski, Karl Blossfeldt, Félix Bonfils, Adolphe Braun, Giacomo Brogi, Eugène Cuvelier, Georg Maria Eckert, Constantin Famin, Wilhelm von Gloeden, Hermann Heidt, Jakob August Lorent, Gustave le Gray, Guglielmo Marconi, Albert Renger Patzsch, James Robertson, Henry Peach Robinson, F. Albert Schwartz, Giorgio Sommer, Carleton Watkins, um nur einige Namen zu nennen. Daneben haben sich gegenständliche Lehrmittel zum Pflanzenstudium, nämlich Skulpturen und Herbarien, die unter der Ägide Moritz Meurers angefertigt wurden, sowie Zeichnungen und andere künstlerische Naturstudien erhalten.

In einem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Förderbereichs „Vernetzen, Erschließen, Forschen. Allianz für universitäre Sammlungen“ großzügig finanzierten Projekt konnte die fotografische Lehrsammlung zwischen März 2017 und Februar 2020 inventarisiert, digitalisiert und sammlungsgeschichtlich erforscht werden. Partner waren das Münchner Stadtmuseum, Sammlung Fotografie, und das Leibniz-Zentrum für Literatur- und Kulturforschung Berlin (ZfL).

Das Projekt rückte die fotografische Bildvorlage als eine weithin unerforschte Form des Gebrauchsbildes in den Blick. Die meist auf Karton aufgezogenen Einzelblätter dienten, so der Berliner Akademiedirektor Anton von Werner, „in ausgiebigster Weise“ als „Hilfsmittel für die […] schöpferische Tätigkeit“. Zahlreiche Fotografen und Verlage bedienten den Markt, der im Zuge der Verbreitung dieses didaktischen Bildtypus entstanden war.

 

Symposium, Ausstellung und Forschungspublikationen

Am 16. und 17. Mai 2020 fand ein internationales wissenschaftliches Symposium im Museum für Fotografie der Staatlichen Museen zu Berlin statt. Das Münchner Stadtmuseum zeigte vom 7. Februar bis zum 26. Juli 2020 – mit einer durch die Corona-Pandemie bedingten Unterbrechung – die Ausstellung „Vorbilder – Nachbilder. Die fotografische Lehrsammlung der Universität der Künste Berlin, 1850 – 1930“. Das Museum für Fotografie der Staatlichen Museen zu Berlin übernahm die Schau vom 21. Mai bis 5. September 2021.

Die wissenschaftlichen Ergebnisse des „Bildvorlagen“- Projekts wurden im gleichnamigen Begleitband zur Ausstellung publiziert:

Ulrich Pohlmann, Dietmar Schenk, Anastasia Dittmann (Hg.): Vorbilder – Nachbilder. Die fotografische Lehrsammlung der Universität der Künste Berlin / Paragons – Afterimages. Photographs from the Berlin University of the Arts 1850 - 1930. Köln: Snoeck, 2020, 416 Seiten (mit Beiträgen von Ludger Derenthal, Monika Faber, Antje Kalcher, Mei-Hau Kunzi, Hubert Locher, Kristina Lowis, Paul Mellenthin, Sabina Mlodzianowski, Angela Nikolai, Helena Perez Gallardo, Dorothea Peters, Herbert Rott, Bernd Stiegler, Herta Wolf und den Herausgebern)

Von der Partnerin am Leibniz-Zentrum für Literatur- und Kulturforschung Berlin (ZfL) liegt eine Monografie zum Teilprojekt „Urform und Umbildung“ vor: 

Judith Elisabeth Weiss: Disziplinierung der Pflanzen. Bildvorlagen zwischen Ästhetik und Zweck. Berlin: Deutscher Kunstverlag, 2020, 232 Seiten

 

Inventarisierung und Digitalisierung

Aus konservatorischen Gründen wurden die Fotografien von der mit ihnen verbundenen Reproduktionsgraphik getrennt, wobei der ursprüngliche gemischte Zustand protokolliert wurde, sodass er als geschichtliche Spur rekonstruierbar bleibt. 

Neben einer sorgfältigen Einzelblatt-Verzeichnung, zu der nicht zuletzt die Identifikation der Fotografen und der verwendeten fotografischen Verfahren gehörte, stand die Digitalisierung des gesamten Bestandes im Vordergrund. Sie erfolgte dreigleisig: durch einen beauftragten professionellen Fotografen, eine fotografisch qualifizierte Mitarbeiterin des Universitätsarchivs und durch eine Auftragsfirma für Scandienstleistungen. Zum Zwecke der Inhouse-Digitalisierung wurde eine Fotostation im Archiv eingerichtet.

Die Verzeichnung erfolgte elektronisch in einer Datenbank, deren Format entsprechend der besonderen Struktur der Sammlung entwickelt wurde (mit Hilfe der Software FAUST). Die bildliche Wiedergabe der Fotografien ist ein integraler Teil des Inventars. 

Die fotografische Lehrsammlung ist erst im Zuge dieser Inventarisierung als eine ganz eigene Bildwelt sichtbar und überschaubar geworden.

 

Online-Veröffentlichung

Im März 2021 wurde die fotografische Lehrsammlung der Universität der Künste mit mehr als 22.000 Verzeichnungsdatensätzen und rund 16.000 Digitalisaten im „Bildindex der Kunst und Architektur“ des Deutschen Dokumentationszentrums für Kunstgeschichte – Bildarchiv Foto Marburg – publiziert. Siehe hier.

 

Mitarbeiter*innen

Projektleitung: Dr. Dietmar Schenk in Zusammenarbeit mit Dr. Ulrich Pohlmann (Münchner Stadtmuseum, Sammlung Fotografie) und Dr. Judith-Elisabeth Weiß (Zentrum für Literatur- und Kulturforschung Berlin)

wissenschaftliche Mitarbeiterin: Dr. des. Anastasia Dittmann

archivarische Mitarbeiterinnen: Charlene Deppe, Antje Kalcher

studentische Mitarbeiterinnen: Chizuru Kahl, Mei-Hau Kunzi, Júlia Révay, Sarah Strömer