Lehre

Metier des Architekten

Wie nie zuvor, mangels Bereitschaft nicht ganz unverschuldet, läuft die Architektin und der Architekt Gefahr, aus dem konkreten Planungs- und Bauprozess „ausgeschlossen“zu werden und auf das bildgebende Oberflächlige reduziert zu werden. Die physische und emotionale Verbundenheit mit dem Bauen droht verloren zu gehen. Die Architektin wird zum „Gestalter“ marginalisiert, die Ausführung wird von Dritten, häufig einseitig der Ökonomie verpflichteten Dritten wahrgenommen. Baut man nicht, fehlt die Erfahrung und damit die Nähe zu der Praxis, zum Bauhandwerkund zum Handwerker. Wir wollen Nähe zu den Dingen gewinnen und durch unser Wissen und Metier die unverzichtbare Kompetenz für das Planen und Bauen aller Fragen des Städtebaus, der Infrastruktur und der Architektur bleiben. Leidenschaft für das Arbeiten und der stetige „Gwunder“ für alles und jede Aufgabe sind die Grundvoraussetzungen architektonischen Schaffens. Jeder Strich hat seine Bedeutung;

handwerklich - konstruktiv - architektonisch - landschaftlich - städtebaulich

Atelierhaus

Quelle: Lehrstuhl Mühlenthaler
Quelle: Lehrstuhl Mühlenthaler
Quelle: Lehrstuhl Mühlenthaler

Struktur und Konstruktion in Holz

Die Auseinandersetzung mit den Strukturen und der materialspezifischen Fertigung verdeutlichen Schritt für Schritt die konstruktiven Möglichkeiten und führen vom Unverbindlichen in die Verbindlichkeit der Erkenntnis und des Bauens. Aus den immer gleichen Einheiten und Teilen entfaltet sich in der Wiederholung des fast Gleichen erst die Wirkung. Aus den Ursachen entsteht die Form. Schichten, Addieren, Stapeln, Verzäpfen, Stricken, Verzahnen; Durch die Fügung der Teile entsteht das Ganze, das Ganze ist Ausdruck der Teile. Das mathematische Ordnungsprinzip äussert sich in einer geometrischen „Werkstruktur“ welche durch ihre Vielfalt, Variation und Kombinatorik überrascht und durch die Materialität die sinnliche Wahrnehmung steigert. Die angestrebte Reduzierung des Flächenbedarfs bezieht sich nicht nur auf die Nutzfläche sondern auch auf die Konstruktion. Hocheffiziente, minimalisierte Wandaufbauten unterstützen den Anspruch möglichst viel Fläche zu günstigem Preis anbieten zu können. Intelligente Energieversorgungssysteme und eine bautechnisch gutmütigere Installationstechnik lassen vergessen gegangene Raummodelle neu denken. Die Brandschutzanforderungen variieren je nach Kombinatorik der Raum-Module. Der hohe Anteil an Vorfabrikation erfordert eine ganzheitliche Planung, fördert den konstruktiven Blick auf das Ganze und sichert in hohem Masse die plantreue Umsetzung auf der Baustelle. Ausgangspunkt für die geometrische Koordination der verschränkten Systembausteine sind die spannweitenoptimierte Baustruktur in Holz und die komfortabel zugängliche Technikstruktur. Die Kohärenz von Funktion, Struktur, Konstruktion, Form und Material bestimmt aus dem Innern heraus das direkt oder indirekt vorgetragene Erscheinungsbild. Rhythmus, Wiederholung und leichte Interferenz bestimmen das Erscheinungsbild. Stadt- Raum- Bau-und Technikstruktur sind untrennbare Geschwister einer ganzheitlichen Architektur. Untersucht werden soll nicht eine „Architektur auf Zeit“, sondern eine nachhaltige und langfristige Anwendung des Werkstoffes Holz im urbanen Kontext von Berlin. Die Baulogistik insbesondere der Transport ist Teil des Entwurfprozesses.

Material

Konstruieren mit Holz, wie mit anderen Materialien auch, erfordert tiefes Einfühlungsvermögen in die Eigenschaften des Werkstoffes. Holz kann viel - nicht alles (Gion A.Caminada). Material-Tugenden können bei falscher Anwendung rasch zum Nachteil werden. Holz fühlt man gerne, es riecht, ist in seiner Erscheinung immer ein Unikat, zieht einen hohen Arbeitsethos in der Bearbeitung nach sich und wächst nach. Holz regt die Sinne an. Holz hat in Berlin und in Deutschland eine grosse historische Tradition. Wie kein anderes Material drückt sich Holz in feinen regionalen Identitäten aus. Das Holz ist in jedem Land von tiefgreifender kulturgeschichtlicher Bedeutung und steht immer am Anfang jeder Entwicklung. Holz bezieht seine Eigenschaften aus dem organischen Wachstum heraus. In der Bearbeitung und im Einbau lässt sich Holz extrem genau formen und bearbeiten. Einmal eingebaut bewegt es sich und stellt daher an die Konstruktion sehr hohe Anforderungen. Die Signatur des Handwerks und des Unikats sind die Faszination des Holzbaus. Holz wird gefügt und ist für jeden Massstab geeignet. Holz löst Wahrnehmungsketten aus. Vom volkstümlichen Gebrauch bis zum hochindustriellen Material findet Holz seine Anwendung zunehmend auch wieder im städtebaulich urbanen Kontext. Holz setzt eine hohe Wertschätzung für die Bearbeitung und das auf empirischem Wissen aufgebaute Handwerk voraus. Das Handwerk ist Grundlage des architektonischen Schaffens. Im Holz liegt das Wesen der Architektur.

Mehrzweckhalle Brienz

Quelle: Lehrstuhl Mühlenthaler
Quelle: Lehrstuhl Mühlenthaler

Haus und Wohnung

Die Gebäudestruktur, gut gegründet, ist die Primärkonstruktion und der langlebigste Teil des Gebäudes. Sie ordnet, rhythmisiert, schützt und trägt als Gerüst die Hülle und die Ausbauten. Sie ist langlebig und überdauert die sekundären Bauteile, welche rascher saniert und ersetzt werden müssen. Sie ist über Generationen hinweg da, soll also „neutral“ genug sein um unterschiedlichen Nutzungsanforderungen gerecht werden zu können. Ein Ordnungsprinzip der Baustruktur ist von grundlegender Bedeutung und bestimmt weitgehend den architektonischen Ausdruck. Die Liaison von Baustruktur, Raumstruktur und Technikstruktur führen zu Authentizität und Klarheit. Angemessenheit der Mittel, Langlebigkeit und hoher Gebrauchswert sind grundlegend für die Akzeptanz der Bauherrin. Das in die Horizontale und oder in die Vertikale „wachsende Haus“ (Martin Wagner) in Holz ist aufgebaut auf einem transportablen Grundmodul , welches durch die Vervielfachung an Strukturprägnanz gewinnt. Das „gefügte Haus“ steht in freier Anordnung, als Aufstockung oder als Erweiterung bestehender Bausubstanz. Wie sieht das Wohnen von Morgen, die sanierte Stadt aus? Gibt es Wohnmodelle welche der Isolation des Individuums entgegen wirken, den Rückzug des Menschen in die Individualität bremst? Gibt es Zukunftsmodelle des gemeinschaftlichen Wohnens, das „Haus für Alle“ (Kurt Junghanns)? Ausgangslage der Unterkunft bildet das Grundmodul für 1-2 Personen von maximal 36m2 NF (Nettofläche). Pro weitere Person stehen max. 12m2 NF zur Verfügung. Wohncluster, Zukunftsmodelle des urbanen Wohnens (gemeinschaftliche Einrichtungen, z. Bsp. Einküchenhaus ) ergänzen und überlagern das traditionelle Wohnen der Nachkriegsarchitektur.

Stadt

Über die Bebauungsstruktur wird der Leerraum, der Aussenraum definiert. Geschlossene Bebauungen führen in der Regel zu hochverdichteten Stadträumen, welche attraktive, oft belebte Strassenräume fördern und ruhige private Innenhöfe ermöglichen. Eine hohe Nutzungsvielfalt ist möglich.Der offenen Bauweise ist der fliessende, mehrheitlich grüne und parkartige Aussenraum eigen. Eine Interaktion zwischen Innen- und Aussenraum ist häufig schwierig zu bewerkstelligen, die Nutzungsvielfalt oft nicht gegeben. Wohnen im Erdgeschoss besetzt in der Regel das unmittelbar vorgelagerte Territorium. „Wenn der Zwischenraum ebenso wichtig wird wie die Plastik selbst, erst dann kann man von Plastik sprechen“ (Walter Link) Der ausgewählte Betrachtungs- und Projektperimeter ist gekennzeichnet durch den klassischen Blockrand von Berlin, welcher in Teilen durch Nachkriegsbauten ergänzt wurde. Das Spannungsfeld zwischen offener und verdichteter Bauweise ist in all seinen Facetten unmittelbar sicht- und wahrnehmbar und steht beispielhaft für viele Orte in Berlin. Zusammen mit der sanierungsbedürftigen Bausubstanz eröffnet sich unter Wertschätzung des Vorhandenen die Chance , günstigen Wohnraum zu erhalten und in Form von neuen Wohnformen zu vermehren. Die aus der Grundeinheit heraus entwickelte Element-Serie beeinflusst durch ihre ureigene Massstäblichkeit und durch ihren Rhythmus den Ort. Der Ort mit seiner Geschichte überlagert sich mit der neuen Struktur und findet über die Transformation seine neue Identität.

Planungs- und Bauprozess

Längst sind die Bauprozesse bis tief in die Konstruktionsdetails hinein industrialisiert und führen zu immer schnelleren Bauzeiten. Die Planung selbst tut sich immer noch schwer damit und ist immer noch ausgerichtet auf konventionelle Bauweisen. Gerade in der Wiederholung, der Variation, der Interferenz und dem Gesetz der leichten Abweichung liegt aber eine der Faszinationen der Architektur. Systematisiertes Planen führt zu einer aktiven, von der Architektur bestimmten Vorfabrikation, welche sich nicht nur in Wirtschaftlichkeit und Produktivität ausdrückt sondern durch ihre Präzision einer aufwendigen Nachbearbeitung infolge Toleranzen auf der Baustelle entgegen tritt. Das Wissen und das Bewusstsein der sehr hohen Regeldichte im Bauen darf nicht die Abschaffung des Unikats nach sich ziehen. Das Unikat setzt sich allerdings mehr denn je aus der Kombination verschiedener Teile zusammen, welche den zeitgemässen Stand des Wissens, der Technik und der Baukultur abbilden.