Ein Nachruf

Quelle: anonym

Gerhard R. Braun

Architekt, Filmemacher, Fotograf

gestorben am 31.3.2020

 

 

Am 31.3.2020 starb nach schwerer Krankheit unser lieber und verehrter Kollege Gerhard Braun. Seine Asche wurde im Atlantik beigesetzt – im französischen Atlantik, wie uns seine Todesanzeige im Berliner Tagesspiegel verriet. Wo sonst, könnte man fragen? Gerhard ging so leise, wie er gekommen war, wie er immer war. Ruhig, aber präsent, neugierig, aufmerksam und reflektiert, war er ein anregender Gesprächspartner, der seine klare Position nie verheimlichte, aber auch niemandem zwanghaft vermitteln musste.

Gerhard Braun war wohl schon immer am Studiengang anwesend, die Institute und ihre Namen, auch das Personal, kamen und gingen, Gerhard blieb den Studierenden erhalten, auch nach seiner aktiven Arbeitszeit war er aus freien Stücken und unentgeltlich in der Lehre tätig, beteiligte sich an den jährlichen Ausstellungen auf dem Rundgang der UdK – und war offen für Gespräche und Austausch in und außerhalb der Universität.

 

Geboren irgendwann in Heidelberg, er selbst wollte es wohl nicht so genau vermitteln, zog er nach Berlin und studierte von 1963 bis 1970 zunächst Architektur an der Technischen Universität, von 1970 bis 1974 dann Kamera/Regie/Ton/Schnitt an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin – der 1966 gegründeten westdeutschen Filmschule. In der Folge war er als Drehbuchautor, Regisseur, Kameramann und Cutter, als Darsteller, Produzent und Filmarchitekt tätig. Er ist als Autor von Kurz- und Dokumentarfilmen mit Berlin-Bezug aufgetreten – unter anderem der experimentellen Kurzfilme Berlin '82, fünfzehn mal und Berlin von der Stange – oder die Geschichte vom selbstsüchtigen Filmoperateur. Seinen ersten Film drehte er noch 1969 während des Architekturstudiums, einen dokumentarischen Kurzfilm über die Probleme der Stadtsanierung. Seinen wohl letzten, 12-minütigen Dokumentarfilm Haus am Drachenberg widmete Gerhard Braun dem Jazzmusiker und Maler Joe Hackbarth.

 

Daneben – kann man bei Gerhard Braun überhaupt von einem "Daneben" sprechen? – war er über viele Jahre immer auch als Fotograf, als Architekturfotograf, aber auch auf archäologischen Grabungen in Spanien, Portugal und Syrien für die Deutsche Orient-Gesellschaft tätig. Und auch hier kreisten seine Themen um Stadt, Stadtlandschaft und Erinnerung, auch um Berlin, und es war wohl dieses Grundinteresse am städtischen Zusammenleben, das Gerhard Braun wieder zurück an die Universität zog. Zunächst, 1975 bis 1980, als wissenschaftlicher Assistent an der TU Berlin im Fachbereich Architektur tätig, wechselte er schließlich an die damalige HdK (seit 2001 UdK Berlin), an den von Jonas Geist an seinem Fachgebiet für "Geschichte, Theorie und Kritik der Architektur" gegründeten "Forschungsschwerpunkt für Geschichte und Theorie von Bau, Raum und Alltagskultur", wo er sich mit seiner Expertise als Filmemacher, Fotograf und Architekt am Aufbau einer "Medienwerkstatt" beteiligte und das Aufgabengebiet "Medienarbeit im Bereich der Bau- und Stadtplanung" vertrat.

 

Bis zum Schluss betrieb er für und mit den Studierenden in zwei abseitigen Räumen des Hauptgebäudes eine kleine Fotowerkstatt für den Studiengang Architektur. Hier gab er Kurse zu den "Grundlagen der Photolaborarbeit" und zur Fotografie – häufig genug waren die Resultate städtische Erkundungen –, aber er gab schon auch mal ein Seminar über die Geschichte der Filmarchitektur. Aus dieser Zeit hat sich ein großer Bestand an Videomaterial erhalten, das nun auf eine Sichtung und Neubewertung wartet.

 

Nach seiner Pensionierung konnte Gerhard Braun auch seinen wissenschaftlichen Neigungen ungestörter nachgehen und sich nun vertieft mit einem seiner Herzensgebiete beschäftigen, der Architektur im Film. Seine Dissertation zum Thema der Architektur im deutschen Stummfilm reichte er an der HCU Hamburg ein, 2012 wurde er dort promoviert, die Dissertation 2014 unter dem Titel Filmarchitektur – eine inszenatorische Bauaufgabe: Produktionsgeschichte von Bauten im deutschen Stummfilm 1919-29 publiziert. Im Klappentext wird deutlich, wie sehr Gerhard Braun seine Interessen in die HdK / UdK Berlin einbrachte und umgekehrt sich wohl auch von der Hochschule, von den Studierenden und Kolleg_innen inspirieren ließ: "Die vorliegende Arbeit zur Entwicklungsgeschichte der frühen Filmbauten hat eine längere Vorgeschichte und ist schließlich aus einer Veranstaltungsreihe des Verfassers als Dozent im Studiengang Architektur an der Universität der Künste in Berlin hervorgegangen. Dabei wurde versucht, die Bedeutung der Filmbauten für die Dramaturgie – insbesondere im expressionistischen deutschen Stummfilm – darzustellen".

 

Gerhard Braun winkt von seiner Todesanzeige mit einem Zitat von Deep Purple tröstend zu uns herüber. Die britische Rockband hatte sich mit diesem Satz von ihrem verstorbenen Mitmusiker Jon Lord verabschiedet: "Souls, having touched, are forever entwined."

 

Wir werden noch lange an ihn denken, nicht nur, wenn wir auf den französischen Atlantik blicken. Und er wird uns fehlen.

 

 

 

Matthias Noell, 13. Mai 2020

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