Erinnerungen

Quelle: Philipp Preiß

Erinnerungen an Gerhard Braun

 

In Zusammenarbeit mit Studierenden, Kollegen und der Galerie drj, Matthias Seidel, auf deren Homepage ebenfalls an Gerhard Braun erinnert wird:  https://gerhard-r-braun.drj-art-projects.com/

 

 

… von Gabriele Schultheiß, UdK Berlin

"Der Mann, der gerne ein Geheimnis geblieben ist, von dem man nicht wissen sollte, wo er herkam, anonym und staubig auf dem französischen Atlantik dahintreibend, sodass man auch nie je wissen kann, wo er hintreibt, das passt! 

Aix-en-Provence war ja wirklich gut mit ihm, auch wenn unsere Initiation ins savoir vivre, für die er uns ins erste Haus am Platze, in memoriam Cézanne, geführt hat, nicht so geklappt hat: Gérard Marron, mit den roten Schnürsenkeln."

 

 

 

... von Ingo F. Schneider, ehemaliger Student der Architektur an der HfbK (seit 1970) sowie Mitarbeiter der HdK in Forschung und Lehre, Professor an der HCU Hamburg 

"Gerd war, so kann ich als ehemaliger Kollege (seit 1981) schon urteilen, auch ein sehr eigensinniger, oft auch recht kautzig wirkender Einzelgänger. Bis zuletzt wohl ohne Computer und Email, als Fotograf beharrlich ohne Digitalcamera, ja selbst ohne Handy. Also für heutige Begriffe per se unkommunikativ und nur schwer erreichbar. […] 

Ansonsten traf ich ihn nur selten, wenn er wieder mal seine eigenwilligen privaten Kurzfilmabende in seiner Wohnung nahe Stuttgarter Platz veranstaltete. Nach der Umstellung auf digitale Fotografie beerbte ich ihn noch mit kistenweise analogem Foto-Rohmaterial aus meiner HdK-Workshopzeit ...

Gerd hatte schon vor vielen Jahren ein kleines Anwesen in einem winzigen Dorf in der nördlichen Bretagne gekauft, was er nach und nach als Künstlertreff ausbauen wollte. Es wurde nie fertig, obwohl er wohl sämtliche Semesterferien dort bastelnd verbrachte. Dort hatte ich ihn auch vor einigen Jahren zusammen mit meiner Lebensgefährtin, die dort in der Nachbarschaft zufällig auch einmal einige Jahre gewohnt hatte, auf seiner Dauerbaustelle besucht. Gerd hatte noch viele Pläne mit seinem typischen Bretagnehaus und dem Gartengrundstück und baute gerade seine Garage zum Miniatelier um. [...] Wir brachten ihm – der natürlich auch kein Auto und wohl auch keinen Führerschein hatte – noch einige Lampen etc. zum Ausbau aus Berlin mit."

 

 

 

... von René Perraudin, Filmproduzent und ehemaliger Kommilitone von Gerhard Braun:

"statt einer Biografie

Gerd war in meinem dffb-Jahrgang. Wir fanden uns sympathisch, hatten ähnliche Interessen, sogar eine deckungsgleiche Vorgeschichte - beide hatten wir zuvor Architektur studiert. Dennoch kam es bei keinem Studienprojekt zu einer Zusammenarbeit, und auch später nicht, denn er fand beruflich dann doch zur Architektur zurück (mit den Schwerpunkten Baugeschichte, Archäologie und Architekturfotografie).

Gelegentlich liefen wir uns über den Weg, mal im Kino, mal bei Veranstaltungen der Akademie der Künste, das letzte Mal vor etwa einem Jahr bei der Eröffnung einer Ausstellung der Deutschen Kinemathek. [...]

Lebe wohl, lieber Gerd"

 

Zit. n. der Homepage der Alumni der DFFB: dffb-alumni.de/cb-profile/gerhard-braun

 

 

 

... von Martin Kieren, Beuth-Hochschule, Berlin, ehemaliger wissenschaftlicher Mitarbeiter von Jonas Geist an der HdK:

"… er war ja ein Filmfreak, hatte zu Haus ein eigenes Kino sich gebaut, und wir haben dort oft Filme angeschaut, er hatte ein sehr gutes und interessantes Archiv und arbeitete ja auch lange an dem Thema Film + Architektur, wollte darüber auch mal promovieren … das alles lange vor der gemeinsamen Zeit an der HdK, da wohnte er auch noch in Moabit wie ich … "

 

 

 

... von Nadja Müller, UdK Berlin:

"Er kam regelmäßig in meine Werkstatt, weil er wieder ein kleines Projekt hatte, etwas reparieren wollte, mir Teile seiner photographischen Sammlung zeigte oder eines seiner Bilder zuschneiden wollte, da ich große Tische und ein langes schweres Stahllineal habe. [...] Einmal kam er zu mir mit einem Apparat aus dem 19. Jahrhundert. Er hatte bei einer seiner Reisen Stereoskopien gefunden mit Aufnahmen aus Japan und Tokio aus der Kaiserzeit. Ich durfte mir die Bilder alle durch den "Holzkasten" ansehen, die sehr eindrucksvoll waren. [...] Letztes Jahr war er traurig, weil er Probleme mit seiner Heizung in seiner Eigentumswohnung hatte. Das war ein Spezialeinbau aus den 80ern und, ich glaube, ein dänisches oder schwedisches Patent, wofür es heute und hier keine Ersatzteile mehr gibt. So saß er in einer kalten Wohnung und tüftelte, wie er sie reparieren könne."

 

 

 

... von Philipp Preiß, Student der Architektur, UdK Berlin:

"Gerhard war mir ein guter Lehrer, ein guter Freund. […] Gerhard liebte Frankreich, das Essen, den Wein und die Menschen! Er wird mir immer so in Erinnerung bleiben."

 

 

 

... von Frédéric de Pourtalès, Student der Architektur, UdK Berlin:

"Herrn Braun habe ich als Leiter des versteckten Fotolabors sehr geschätzt, seine ruhige Stimme strahlte etwas Mysteriöses aus, er war recht diskret und ihm zu begegnen war etwas wie eine Glückssache."

 

 

 

... von Matthias Seidel, Galerist und Architekt, ehemaliger wissenschaftlicher Mitarbeiter von Jonas Geist an der HdK:

"Zu seiner Ausstellung hier gibt es Material [...] Es war dies übrigens die erste und vielleicht auch einzige Gelegenheit, wo Gerhard digitale Werkzeuge zugelassen hat bei seinen Fotos: Ich habe seinerzeit die ausgewählten Negative gescannt, bearbeitet und in einer Qualität gedruckt, die ihn sehr verblüfft hat. Denn trotz der jahrzehntelangen Erfahrung war es ihm nach eigener Aussage zuvor nie gelungen, derart facettenreich den Tonumfang seiner Aufnahmen aufs Papier zu bringen. Ganz zu schweigen von den Möglichkeiten der Retusche."

 

 

 

... von Martin Brucks, Architekt, ehemaliger Student der UdK Berlin:

"Mein Studienbuch verrät mir, daß ich im Sommersemester 2000 – also ganz genau vor 20 Jahren – bei Gerhard Braun den Kurs 'Medienarbeit I: Photolaborpraxis' besucht habe. Seine Kurse waren sehr beliebt, die Teilnehmerzahl begrenzt (u.a. auch bedingt durch die Arbeit in der Dunkelkammer), und ich war damals sehr glücklich, endlich erfolgreich einen Platz ergattert zu haben, hatte ich mich doch auch schon davor vergeblich darum bemüht.

In meinen archivierten Studienunterlagen habe ich heute nachgeschaut und noch Erinnerungsrelikte aus jenem Kurs gefunden, die mir heute ein wenig wie archäologische Fundstücke vorkommen: Gerhard Brauns Skripte, auf denen nicht nur noch 'HdK' stand, was ja zu dem Zeitpunkt noch zutreffend war, sondern auch auf den ehemaligen Fachbereich 2 (FB 2), die Architektur, verweisend. Dann etliche Übungsabzüge auf Fotopapier, z.B. mit unterschiedlichen Belichtungszonen, Kontaktabzüge, Fotogramme und insbesondere auch das schöne Motiv aus der Foyerhalle mit den Schatten sich bewegender Studierender bei langer Belichtungszeit.

Gerhard Braun war ein sehr engagierter Kursleiter; ich erinnere mich genau an die Atmosphäre in der Dunkelkammer. Es war ihm sehr wichtig, dass wir mit großer Ernsthaftigkeit arbeiteten. Auch seine Identifikation mit dem Medium Film floss immer in seine Lehre mit ein. So finde ich hier auch noch das Fragment meiner Mitschrift zu einem medien- und gesellschaftskritischen Vortrag, u.a. mit Verweis auf den Komponisten Boris Blacher, der auch mal als Stummfilmbegleiter gearbeitet hat. [...] Er interessierte sich sehr für die Erörterung ganzheitlicher Zusammenhänge und war offen für interdisziplinäre Perspektiven – verkörperte er doch selber eine inspirierende Interdisziplinarität. Gerhard Braun war für mich eine Konstante des Studienganges Architektur, die auch erhalten blieb, als sukzessive die Professorenpersönlichkeiten, die mich geprägt hatten, die Universität verlassen hatten. Insofern strahlte er für mich auch immer etwas Zeitloses aus; er hatte ein anhaltend jugendliches und stets erfrischendes Element – vielleicht auch gerade wegen seiner wachen Interessiertheit und Aufgeschlossenheit. [...] Dies mag man vielleicht dialektisch nennen: einerseits das Gefühl von starker Vertrautheit – und andererseits hatte Gerhard Braun irgendwie auch immer ein Geheimnis. Eine Art Schlüsselerlebnis war für mich im übrigen auch die Aufführung von Gerhard Brauns Film „Berlin `82, fünfzehn mal“ aus dem Jahr 1982 im Dezember 2010 im Rahmen der Ausstellung Urban sites in der Galerie dr. julius bei Matthias Seidel. Ein Film, der einerseits z.T. intime Einblicke in Gerhard Brauns Lebenswelt gegeben hat, und der zugleich auch allgemein die Westberliner Lebenswelt zu Mauerzeiten widerspiegelt."

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