Überreste - Überlegungen zur Geschichte und Theorie der Erhaltung und des Verschwindens

Wir sind umgeben von ihnen: den alten Dingen und Bauten – Überresten aus der Vergangenheit, mit denen wir leben, und auf deren Präsenz im Alltag wir im Regelfall nicht ohne Weiteres verzichten wollen. Wir müssen uns also um sie bemühen, um sie zu verstehen und um sie erhalten. Denkmalpflegerisches Denken und Handeln begleitet diesen häufig nicht unproblematischen Umgang mit den Denkmalen.  

Denkmalpflege ist, so gerne die öffentliche Meinung sie heute auf die Behördenstruktur zu reduzieren geneigt ist, auch ein Tätigkeitsbereich mit einer eigenen Geschichte und eigenen Theorien, eine Disziplin zwischen Theorie und Praxis. Denkmalpflege muss auch als eine kulturelle Leistung im Spannungsfeld zwischen kollektiver Erinnerung, persönlichen Entscheidungen und materieller Machbarkeit angesehen werden, die über einen Erfahrungshorizont von mittlerweile über 200 Jahren verfügt. Über diesen Zeitraum wandelten sich dabei nicht nur die Definitionen, Leitlinien und Institutionen, diese divergierten zudem auch innerhalb einer Epoche von Land zu Land, von Objekt zu Objekt, von Person zu Person gravierend. Daher ist auch Architekturgeschichte ohne das Wissen über die Veränderungen der Bauten über die Jahrzehnte und Jahrhunderte und deren Hintergründe kaum möglich. Aber auch um denkmalpflegerische Entscheidungen heute bewerten oder gar Erhaltungsmaßnahmen planen und durchführen zu können, muss man die Eckpunkte dieser Entwicklung kennen und verstehen. 

Die Lehrveranstaltung wird einen chronologischen Bogen schlagen, der von den frühesten denkmalpflegerischen Theorien in der Folge der Französischen Revolution, über die Ausbildung eines bis heute relevanten Theoriegebäudes des 19. Jahrhunderts, die zentralen Debatten des 20. Jahrhunderts, bis zur Frage nach dem Stand der Fachdiskussion in unserer Zeit reichen wird. Über das Semester soll so ein Überblick über die Geschichte der Theoriebildung in der Denkmalpflege erarbeitet werden und anhand von ausgewählten praktischen Umsetzungen diskutiert werden. Neben der Fachdiskussion der beteiligten Disziplinen Architektur und Kunstgeschichte sollen auch die literarische und künstlerische Behandlung denkmalpflegerischer Bereiche behandelt werden. Die Veranstaltung versteht sich in diesem Sinn auch als ein Lektüreseminar zu einem anspruchsvollen Themenfeld. 

 

Vorlesung, Dienstag 15:15-16:45, A 310  
BA Module 12/14 = 3ects / MA Module 3/5 = 5ects 

Einführung: 24.10., A 310 

Anforderungen: Regelmäßige Teilnahme, Anfertigung und Überarbeitung einer Mitschrift 

 

 

Literaturempfehlungen (ein Semesterapparat wird eingerichtet) 

  • Assmann, Aleida und D. Harth (Hg.): Mnemosyne. Formen und Funktionen kultureller Erinnerung. Frankfurt a. M. 1991.  
  • Assmann, Aleida: Das Gedächtnis der Orte. In: Der Architekt. 3/4.2005. S. 33-43. 
  • Assmann, Aleida: Erinnerungsräume. Formen und Wandlungen des kulturellen Gedächtnisses. München 1999 / 2003.  
  • Baudrillard, Jean: Das System der Dinge. Über unser Verhältnis zu den alltäglichen Gegenständen (1968), Frankfurt/M. 2007.  
  • Borsdorf, Ulrich u. Heinrich Theodor Grütter: Orte der Erinnerung. Denkmal, Gedenkstätte, Museum. Frankfurt am Main 1999. 
  • Choay, Françoise: Das architektonische Erbe, eine Allegorie. Geschichte und Theorie der Baudenkmale. Braunschweig / Wiesbaden 1997 (= Bauwelt Fundamente 109). 
  • Denkmalpflege. Deutsche Texte aus drei Jahrhunderten, hg. von Norbert Huse. München 1984. 
  • Denkmalschutz. Texte zum Denkmalschutz und zur Denkmalpflege. Bonn 1996 (= Schriftenreihe des Dt. Nationalkomitees für Denkmalschutz 52).  
  • Denslagen, Wim: Architectural restoration Western Europe: controversy and continuity. Amsterdam 1994. 
  • Der Souvenir. Erinnerung in Dingen von der Reliquie zum Andenken. Hg. v. Museum für Angewandte Kunst Frankfurt. Köln 2006.  
  • Fawcett, Jane: The future of the past. Attitudes to onservation 1174-1974. London 1976. 
  • Findeisen, Peter: Geschichte der Denkmalpflege. Sachsen-Anhalt. Von den Anfängen bis in das erste Drittel des 20. Jh. Berlin 1990. 
  • François, Etienne u. Hagen Schulze (Hg.): Deutsche Erinnerungsorte. 3 Bde. München 2001. 
  • Frodl, Walter: Idee und Verwirklichung. Das Werden der staatlichen Denkmalpflege in Österreich. Wien u.a. 1988 (=Studien zu Denkmalschutz und Denkmalpflege 13). 
  • Götz, Wolfgang: Beiträge zur Vorgeschichte der Denkmalpflege. Die Entwicklung der Denkmalpflege in Deutschland vor 1800 [Diss. Leipzig 1956]. Zürich 1999 (=Veröffentlichungen des Instituts für Denkmalpflege an der ETH Zürich 20, CD-ROM). 
  • Hammer, Felix: Die geschichtliche Entwicklung des Denkmalrechts in Deutschland. Tübingen 1995. 
  • Hoffmann, Volker (Hg.): Die "Denkmalpflege" vor der Denkmalpflege. Akten des Berner Denkmalpflegekongresses, Juli 1999. Bern u.a. 2005 (=Neue Berner Schriften zur Kunst 8).  
  • Hubel, Achim: Denkmalpflege. Geschichte, Themen, Aufgaben. Stuttgart 2006. 
  • Jokilehto, Jukka: A History of Architectural Conservation. Oxford u.a. 1999. 
  • Kiesow, Gottfried: Einführung in die Denkmalpflege. Darmstadt 1982. 
  • Knoepfli, Albert: Schweizerische Denkmalpflege. Geschichte und Doktrinen. Zürich 1972. 
  • Korth, Thomas: "Denkmalpflege". Überlegungen zum hundertjährigen Bestehen eines Begriffs. In: Deutsche Kunst und Denkmalpflege 41.1983. S. 2-9. 
  • Léon, Paul: La vie des monuments français: destruction - restauration. Paris 1951. 
  • Lipp, Wilfried: Denkmal – Werte – Gesellschaft. Zur Pluralität des Denkmalbegriffs. Frankfurt a. M. 1993. 
  • Magirius, Heinrich: Geschichte der Denkmalpflege. Sachsen. Von den Anfängen bis zum Neubeginn 1945. Berlin 1989. 
  • Meier, Hans-Rudolf und Marion Wohlleben (Hg.): Bauten und Orte als Träger von Erinnerung. Die Erinnerungsdebatte und die Denkmalpflege. Zürich 2000. 
  • Metken, Günter: Spurensicherung. Eine Revision. Texte 1977-1995. Amsterdam 1996. 
  • Metken, Günter: Spurensicherung. Kunst als Anthropologie und Selbsterforschung. Fiktive Wissenschaften in der heutigen Kunst. Köln 1977. 
  • Nora, Pierre (Hg.): Les Lieux de Mémoire. 3 Bde. Paris 1986-1992/1997. 
  • Nora, Pierre: Zwischen Geschichte und Gedächtnis. Berlin 1990. 
  • Petzet, Michael u. Gerd Mader: Praktische Denkmalpflege. Stuttgart u.a. 1993. 
  • Scheurmann, Ingrid u. Hans-Rudolf Meier (Hg.): Echt – alt – schön – wahr. Zeitschichten der Denkmalpflege. Berlin / München 2006. 
  • Speitkamp, Winfried: Die Verwaltung der Geschichte. Denkmalpflege und Staat in Deutschland 1871–1933. Göttingen 1996 (= Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft 114). 
  • Spital-Frenking, Oskar: Architektur und Denkmal. Der Umgang mit bestehender Bausubstanz: Entwicklungen, Positionen, Projekte. Leinfelden-Echterdingen 2000. 
  • Vedder, Ulrike: Weitergeben, verlorengeben: Dinge als Gedächtnismedien. In: Gendered Objects. Wissens- und Geschlechterordnungen der Dinge. Hg. v. Zentrum für transdisziplinäre Geschlechterstudien der Humboldt-Universität zu Berlin (= Bulletin Texte 38). Berlin 2012. S. 17-28. 
  • Wohlleben, Marion (Hg.): Georg Dehio – Alois Riegl. Konservieren nicht restaurieren. Streitschriften zur Denkmalpflege um 1900. Mit einem Nachwort von Georg Mörsch. Braunschweig u. Wiesbaden 1988. 
  • Wohlleben, Marion: Konservieren oder Restaurieren? Zur Diskussion über Aufgaben, Ziele und Probleme der Denkmalpflege um die Jahrhundertwende. Zürich 1989.    
  • Wolff, Gabriele: Zwischen Tradition und Neubeginn. Zur Geschichte der Denkmalpflege in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Geistesgeschichtliche Grundlagen in den deutschsprachigen Gebieten. Frankfurt a. M. 1992 (= Frankfurter Fundamente der Kunstgeschichte). 

Verwandte Themen