ABSTRACT CITY 18: Januskopf - Dualität als Ideal

Quelle: LS Goetz
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Januskopf

1957 entstand im Rahmen einer internationalen Bauausstellung das Hansaviertel einerseits, andererseits wurde im Osten der Stadt als Gegenmodell die Karl Marx Allee gebaut.

Diese Dualität prägt Berlin und macht sie als „doppelte Stadt“ einzigartig. Und dieses „Doppelte“ ist unser Thema in diesem Semester:

Letztes Semester war die Karl Marx Allee unser Thema im Masterstudio, diesmal wechseln wir ins Hansaviertel.

Das Hansaviertel bietet bekanntermaßen phantastische und allgemein sehr geschätzte Wohnqualitäten aus den 1950- er Jahren. Daran muß man nichts verändern

Was uns interessiert ist die Inselartige Lage der eigentlich solitären Baukörper in einem Park.

Wie urban ist eine solche Wohnsituation?

Wie funktioniert die Verzahnung mit der umgebenden Stadt?

 

Das berühmte Gedicht von Kurt Tucholsky „Das Ideal“ bringt unsere Wünsche auf den Punkt, und stimmt auch heute noch, fast 100 Jahre später:

 

Das Ideal

Ja, das möchste:
Eine Villa im Grünen mit großer Terrasse, vorn die Ostsee, hinten die Friedrichstraße; mit schöner Aussicht, ländlich-mondän,
vom Badezimmer ist die Zugspitze zu sehn – aber abends zum Kino hast dus nicht weit.

Das Ganze schlicht, voller Bescheidenheit:

Neun Zimmer – nein, doch lieber zehn! Ein Dachgarten, wo die Eichen drauf stehn, Radio, Zentralheizung, Vakuum,
eine Dienerschaft, gut gezogen und stumm, eine süße Frau voller Rasse und Verve – (und eine fürs Wochenend, zur Reserve) – eine Bibliothek und drumherum Einsamkeit und Hummelgesumm.

Im Stall: Zwei Ponies, vier Vollbluthengste, acht Autos, Motorrad – alles lenkste
natürlich selber – das wär ja gelacht!
Und zwischendurch gehst du auf Hochwildjagd.

Ja, und das hab ich ganz vergessen: Prima Küche – erstes Essen –
alte Weine aus schönem Pokal –
und egalweg bleibst du dünn wie ein Aal.

Und Geld. Und an Schmuck eine richtige Portion. Und noch ne Million und noch ne Million.
Und Reisen. Und fröhliche Lebensbuntheit.
Und famose Kinder. Und ewige Gesundheit.

Ja, das möchste!

Aber, wie das so ist hienieden:
manchmal scheints so, als sei es beschieden
nur pöapö, das irdische Glück.
Immer fehlt dir irgendein Stück.
Hast du Geld, dann hast du nicht Käten;
hast du die Frau, dann fehln dir Moneten –
hast du die Geisha, dann stört dich der Fächer: bald fehlt uns der Wein, bald fehlt uns der Becher.

Etwas ist immer. Tröste dich.

Jedes Glück hat einen kleinen Stich.
Wir möchten so viel: Haben. Sein. Und gelten. Daß einer alles hat:
das ist selten.

(1927)

 

 

Dieses Janusköpfige Ideal wollen wir als neuen, urbanen Bautyp entwickeln:

Öffentlich und lebendig nach außen zur Stadt, erholsam und ruhig in Richtung Park und Hansaviertel. Das Gedicht wird transformiert zum Raumprogramm.

Zwischen S-Bahnhof Tiergarten und Bellevue bearbeiten wir das Gebiet über und neben der S-Bahntrasse:

Wie schaffen wir eine Gebäudestruktur, die, entwickelt aus unterschiedlichen Nutzungen und in Ergänzung der vorhandenen Wohnqualitäten an diesem besonderen Standort zeitgenmäße Urbanität bietet?

Die Bachelor hingegen „übersieden“ in die Karl Marx Allee und entwickeln ein entsprechendes „janusköpfiges Ideal“ auf den Platten zwischen Alexanderplatz und Straussberger Platz.