Stadtraum Freiraum Denkraum _ Wiedervorlage Ernst-Reuter-Platz

Quelle: LS Schultheiss

Beginn: 22.04.2020 um 11.00 Uhr, auf Cisco Webex Teams

Projekt MA Modul 01, BA Modul 13

 

Die Idee war, sich in diesem Sommersemester im Entwurf mit dem Ernst-Reuter-Platz, der quasi vor unserer Haustüre liegt, in situ zu beschäftigen, dies in einem Studio in der auf der Mittelinsel liegenden gläsernen Box unseres Kooperationspartners BHR OX bauhaus reuse/zukunftsgeraeusche GbR, Robert K. Huber, auf dem Platz und aus freiraumarchitektonischer Perspektive. Sommer auf dem Ernst- Reuter- Platz! Vielleicht wird ja noch etwas daraus!

Unser Lehrstuhl hat den Ernst- Reuter- Platz immer wieder, in unregelmäßigen Abständen, zu einer landschaftsarchitektonischen Entwurfsaufgabe gemacht, zuletzt im SoSe 2017, weil er aus unserer Sicht neben dem Kulturforum und dem Hansaviertel halbwegs unversehrt die städtebauliche räumliche Matrix, oder anders: das raumästhetische Paradigma der Nachkriegsmoderne in Berlin repräsentiert. (s. Referenzen)

Diesem Paradigma zufolge wird Raum, architektonischer wie urbaner, durch freiplastisch angeordnete Elemente oder Baukörper eher markiert als eindeutig definiert, durch freie räumliche Setzungen, die eine Unbestimmtheit der Raumgrenzen evozieren mit dem Ziel der Durchdringung von innen und außen, davor und dahinter und daneben, eine Fluktuation, ein Oszillieren der Raumschichten, die eine räumliche Vieldeutigkeit erzeugen und mit dieser Vieldeutigkeit eine Dynamik, eine Bewegung des Denkens, der Wahrnehmung und des Körpers.

Die Entwurfsaufgabe war und wird sein, den Ernst- Reuter- Platz durch entsprechende Interventionen als den öffentlichen und öffentlich nutzbaren Raum zu entwickeln und sichtbar zu machen, als der er in den 50er Jahre architektonisch-konzeptionell und stadtentwicklungspolitisch geplant war. Denn anders, als es die postmodern-konservative pejorative Zuschreibung will, entspringt der Ernst- Reuter- Platz in seiner räumlichen Struktur nicht dem Konzept der „Autogerechten Stadt“, ist er kein Projekt der Verkehrsplanung, kein Verkehrskreisel, sondern war er gedacht als zentraler öffentlicher Platz eines neuen städtischen Zentrums des antizipierten tertiären postindustriellen Sektors der Dienstleistung in Berlin-West. (s. Referenzen)

Waren den Entwürfen der vorherigen Jahrgänge keine Grenzen gesetzt außer der, ausschließlich mit freiraumarchitektonischen Strategien, Mitteln und Elementen Aufwertung, Aufenthaltsqualität und Sichtbarkeit des Platzes als urbanem Freiraum zu entwickeln (s. Referenzen), so sollen in diesem Semester die Entwurfsarbeit zwei Zwangspunkte zugrunde liegen, die miteinander zusammenhängen. Zum einen steht der Ernst- Reuter- Platz unter Denkmalschutz, die Mittelinsel wie die Außenräume der umstehenden Baukörper wie die meisten dieser Baukörper im Einzelnen wie das gesamte Ensemble.

Wir wollen dieses Mal diese Unterschutzstellung ernstnehmen, mit der Einschränkung allerdings, dass wir uns in begleitenden Übungen kritisch mit paradigmatischen Positionen zum Thema Denkmalschutz auseinandersetzen wollen, deren beide Pole die Zuschreibung von Qualität und Geschichtlichkeit architektonischer Artefakte auf der historisch-wissenschaftlichen Seite und das Entwerfen im denkmalpflegerischen Kontext auf der anderen, der Seite der Architekten liegen, z. Bsp. mit Koolhaas, Snozzi, Ungers, aber auch mitVenturi. (s. Referenzen)

Die Fragen werden sein, warum überhaupt etwas zum Denkmal wird, und für was überhaupt, und wieviel entwurfliche Intervention, wieviel Veränderung möglich ist, um dieses „für was“ in der Überarbeitung zu erhalten und gleichzeitig für den gegenwärtigen Gebrauch fortzuschreiben, wie die formale und auch semantische Integrität des Artefakts erhalten und zugleich einer neuen Nutzung, einer neuen Bedeutung zugeführt werden kann.

In diesem Zusammenhang werden wir über Strategien typologischen Entwerfens nachdenken müssen, die mit der Grammatik, in unserem Fall mit dem raumästhetischen Paradigma des Ernst- Reuter- Platzes arbeiten, dieses aufgreifend, weiterschreibend und im besten Falle steigernd. Die Instrumente der Intervention sind auch hier die der Freiraumarchitektur. (s. Referenzen)

In weiteren Übungen diskutieren wir, die Entwurfsarbeit begleitend, das raumästhetische Paradigma in Architektur und Städtebau der Nachkriegsmoderne, den politischen und den architekturtheoretischen Kontext, in dem der Ernst- Reuter- Platz entstanden ist ebenso wie seinen Status im Berliner Urbanismus-Diskurs.

Sie werden von uns eingeladen!