studio raumproduktion WS25/26: designing transformation - how about: fake estates !?
In der Projektreihe „designing transformation“ entwickeln wir Zukunftsszenarien für Splittergrundstücke im Eigentum des Landes Berlin. Revitalisierung untergenutzter Räume, Weiterbau und Umbau, Klimaneutrale Stadt sind wesentliche Themen der IBA 34/37, die sich gerade in der Konzeptionsphase befindet. Mit diesem Entwurfsprojekt kooperieren wir mit der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen.
Berlin besitzt immernoch 47% des Territoriums des Bundeslands. Dieser Besitz ist nach Nutzungstyp kategorisiert. immerhin 7% des Landesvermögens sind Splitter- und Arrondierungsflächen, also Räume die sich einer Zuordnung nach Nutzung entziehen. Sind es deshalb auch nutzlose Räume?
Der Raumbedarf in Berlin ist enorm, entsprechend groß ist die Raumkonkurrenz. . Können die Splitter- und Arrondierungsflächen nicht doch mehr tun, als angenommen, für Klima, Wohnen, Diversität, Daseinsfürsorge und Kultur?
Einer äußerst kreativen und beharrlichen Denk- und Verhandlungsarbeit ist es zu verdanken, dass es nun eine neue, zusätzliche Kategorie gibt: die urbane Optionsfläche. Das sind Flächen in Landesbesitz, die noch nicht ganz aufgegeben sind, hier könnte eventuell doch etwas möglich sein, jenseits der klassischen Nutzungen und weit jenseits der typischen Verwertungsmechanismen. Wir widmen uns mit diesem Entwurfsprojekt den urbanen Optionsflächen. Wir entwickeln neue Ideen für liegengelassene Flächen, wir erkunden das Terrain, beschäftigen uns mit den Widersprüchen, die dafür sorgen, dass sich bisher nichts getan hat, wir konfrontieren die aufgegebenen Orte mit der Lust des Lebens, mit völlig neuen Erzählungen.
Im Wintersemester (erkunden, erkennen, beschreiben, kartieren, imaginieren, erzählen, intervenieren, performen) erkunden wir die Orte, arbeiten an mappings, analysieren ihre Bedingungen. Wir erstellen ein umfassende Repräsentation jedes Orts. Die Kartierung eines Orts ist der Beginn der Transformation. Auf Kartierung folgt Imagination. Erst in Form von Narrativen für die Orte, dann im Handeln - wir bringen die Narrative an ihre Orte. Mit selbst gefertigten Props, narrativen Outfits, mit selbst gebauten Interventions-Vehikeln testen wir die Narrative vor Ort.
00 emergence
Wir besuchen alle Orte gemeinsam und entdecken die Stadt dazwischen auf dem Fahrrad für uns. Dabei üben wir die gegenseitige, wertschätzende Unterstützung. Alle wirken dabei mit, dass es uns leiblich und stimmungsmäßig immer gut geht! Gleichzeitig lernen sich in dieser Phase alle projektteilnehmer*innen kennen und knüpfen erste Fäden für spätere Kooperationen.
01 explore
Mit einer künstlerisch-subjektiven Annäherung begenen wir den Orten zu Beginn des Projekts. Ob zeichnend vor Ort oder als 24-Stunden Präsenzexperiment, in dieser Phase ist Einfallsreichtum gefragt. Wie können wir Orte anders lesen lernen als durch die Vereinfachung auf „ein Problem - eine Lösung“? Die Orte mögen klein sein, aber sie bergen eine Vielzahl an Geschichten und Entdeckungen. In dieser Phase machen wir uns offen auf die Suche, Jede*r entwickelt ein persönliches Verhältnis zu ihrem und seinem Ort.
02 analyse
In welchem Kontext liegen die Orte? Können wir aus dem zur Verfügung stehen öffentlichen Daten Berlins Talente, Defizite und Chancen ablesen? In dieser Projektphase entstehen Repräsentationen der Orte in ihrem Umfeld. Der Fokus liegt auf der Recherche: welche Fakten können wir ermitteln und in einer Karte für jeden Ort zusammentragen?
03 mapping
Inspiriert von der Arbeit der Künstlerin Larissa Fassler arbeiten wir an einer hybriden Repräsentation der Orte, die das faktische Wissen mit dem subjektiv, explorativ erarbeiteten Wissen zusammenführt. Die Zeichnungen der vorangegangen Phase verdichten sich, werden atmosphärischer und expressiver. Diese Phase kann als eine kreative Beschreibung des Orts verstanden werden. Kartieren ist nämlich nie objektiv, sondern spiegelt die Erfahrungen, das Wissen und die Positionalität der Kartierenden wider.
Die künsterlisch-kritische Beschreibung ist die Grundlage für die Transformation.
04 narration
Mit der Arbeit der vorangegangen Wochen ist der Ort be-schrieben. Mit der Narration wird er spekulativ weitergeschrieben. Eine Erzählung überlagert das bestehende, verschiebt Wahrnehmung und eröffnet Möglichkeitsräume. Welche Aspekte stellt ihr in den Vordergrund? Wie können erste Zukunfts- und Transformationsideen entstehen? In einem Schreibworkshop lernen wir wie wir die Orte weiterschreiben können.
05 playtest
Wir arbeiten im Ping-Pong im Studio und am Ort, Die Erzählung wird weiter ausgearbeitet, jetzt kommen perfomative Aktionen, gebaute Props und Ausstattungen hinzu. Das Gedachte soll sich vor Ort im künstlerischen Spiel materialisieren. Die Ideen drängen sich in de urbanen Realitäten, sie mischen sich ein, werden spürbar, greifbar und verhandelbar. Diese Phase ist von der Aktionsphase des Superstudio inspiriert. Im Handeln gewinnen eure Ideen neue Dimensionen!
Inputs und Workshops
Das Entwurfsprojekt wird von der Abteilung Sonderprojekte / IBA der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen begleitet. Es wird Inputs und Workshops mit spannenden Gästen zur Genese der urbanen Optionsflächen, zu Dramaturgie / Narrativentwicklung (mit Dramaturg Aljoscha Begrich) und zum Aushalten von Widersprüchen geben (mit den Künstler:innen Yves Mettler und Ayumi Rahn). Juan Chacon wird als Lehrbeauftragter seinen wiederholten Impuls zur Produktivität mit „design something“ geben. Weitere Inputs / Workshops zum Intervenieren sind geplant. Als weitere Austauschformat sind mittwochs Discoursive Dinners in Zusammenarbeit mit dem Entwurfsstudio Do What You Want Teil des Projekts. Erstes Dinner: 29.10 mit Gästen: das Seminar RESIDUEN der Hochschule Lübeck and die Studienreise Activism und Architecture der Leeds Beckett University.
Unser Entwurfsprojekt ist auf zwei Semester angelegt. Im Sommersemester setzen wir die Arbeit fort und vertiefen die Imaginationsebene bis zu Entwürfen in Zukunftsszenarien und eine zweite Serie von performativen Interventionen. Jedes Semester kann als eigenes Projekt oder beide Semester zusammen als Vertieferprojekt im Master angerechnet werden.
Eine neue internationale Bauaustellung in Berlin? Der Begriff IBA ruft sofort große Erwartungen auf den Plan. IBAs stehen in Berlin für grundsätzliche Kehrtwendungen in der Stadtentwicklung.
Die Interbau 1954/57 gilt noch heute als wichtiger Wegbereiter für die Stadt der Moderne im Nachkriegsdeutschland. Im Hansaviertel durften einige heute sehr bekannte Architekten Gebäude konzipieren, die das Wohnen im Grünen propagieren - und damit die Abkehr von der Stadt der Strassen und Blöcke, dem Berlin der Mietskaserne und der Spekulation. Die Nachkriegsstadt sollte offen, übersichtlich, grün und gesund sein.
In der Internationalen Bauaustellung 84/87 dann die Kehrtwende. Die Stadt der Moderne war in vielerlei Hinsicht in die Krise geraten. Sowohl das Neubauen auf der „grünen Wiese“ wie im Märkischen Viertel als auch die großflächige Kahlschlagsanierung wie beispielsweise um das Kottbusser Tor mit standardisierten Grundrissen, Zwangsumsiedelungen, Anonymität standen in der Kritik. Alexander Mitscherlich sprach viel beachtet von der Unwirtlichkeit der Städte. Im Schatten der großen Entwicklungen waren Raumpraxen entstanden, die selbstorganisert, mit gewachsenem Umweltbewußtsein und mit neuen Modellen vom Leben und Zusammenleben heruntergekommene Altbauquartiere neu belebten und umgestalteten. Die IBA 84/87 vollzig eine Rückbesinnung auf das urbane Muster von Block, Platz und Strasse, thematisierte die Architektur im Masstab der Baulücke, der Brache, des einzelnen Gebäudes. Sie bot Raum für Mieterinitiativen, die in einen emanzipatorischen Aushandlungsprozess traten, die ihren Wohnraum selbst umgestalteten, Höfe begrünten und damit Stadt politisch und faktisch mitgestalteten.
Die Handlungsmacht der Architektur ist an der Schnittstelle wesentlicher Zukunftsfragen positioniert: Wie die Wohnungskrise lösen? Was ist der Beitrag von Architektur und Stadtentwicklung zur Reduktion des CO2 Ausstoßes und für die Anpassung an den Klimawandel? Wie kann Stadt gerechter, gemischter, diverser werden? Mit unserem Projekt suchen wir nach radikalen verbindungen zwischen diesen großen Fragen und den kleinen, konkretren Orten in der Stadt.
Daten:
Erstes Treffen: Mittwoch 15.10.25 - 10.00h - Raum 401
Studiotag ist Dienstag.
Module: Bachelor, Modul 13, Entwurf IV und V, Master Modul 1 und 4
Teilnehmende ca 18
Anmeldung im Moodle