Menschenfresser, Kannibalen oder Anthropophagen (Seminar)

Cord Riechelmann
Menschenfresser, Kannibalen oder Anthropophagen

Seminar, 2 SWS, 2 LP
Montags, 16 s.t. - 20 s.t. Uhr, circa wöchentlich vom 22.5.-3.7.2017, 6 Termine: 22.5., 29.5., 12.6., 19.6., 26.6., 3.7.2017, Hardenbergstr. 33, Raum 102

Von Michel de Montaigne’s Essay „Über die Menschenfresser“ von 1580 bis zu Oswald de Andrades „Anthropophagem Manifest“, erschienen 1928 in Brasilien und das als eines der „klassischen“ Manifeste der „klassischen“ Avantgarden gilt, läßt sich ein großer Bogen des Staunes und Erschreckens über den menschlichen Kannibalismus schlagen.
Im Seminar soll es ausgehend von verschiedenen Berichten über die rituelle Anthropophagie der Indigenen von frühen Kolonisatoren bis zu den aktuellen Arbeiten des Ethnologen Eduardo Viveiros de Castro darum gehen, zu untersuchen inwieweit unser Entsetzen und unsere Abscheu vor den „wilden Praktiken“ der Anthropophagie nicht auch ein Symptom der Tatsache ist, dass sich Anthropophagie „und seine direkten oder indirekten Ausführungen in allen Gesellschaften“ finden lassen, wie Claude Levi-Strauss schrieb. Wobei die zentrale Frage sein wird, ob es möglich ist, so etwas wie eine emanzipatorische symbolische Anthropophagie heute noch zu entwerfen, wie Andrade sie mit seinem Manifest erreichen wollte, in dem er auch der Frage nach dem „guten Essen“ nicht auswich.

Literatur:

  • Eduardo Viveiros de Castro: Die Unbeständigkeit der wilden Seele. Aus dem brasilianischen Portugiesisch von Oliver Precht, Turia + Kant 2016.
  • Oswald de Andrade:  Manifeste. »Anthropophages Manifest« »Manifest der Pau-Brasil-Dichtung«, Deutsch / Portugiesisch. Aus dem brasilianischen Portugiesisch von Oliver Precht, Turia + Kant 2016.
  • Pedro Neves Marques (Hrsg.): The Forest & the School / Where to Sit at the Dinner Table? Archive Books 2015.

Leistungsanforderungen für den unbenoteten Studium-Generale-Schein: regelmäßige Anwesenheit und aktive Mitarbeit.

 

Cord Riechelmann, geboren 1960 in Celle, studierte Biologie und Philosophie an der Freien Universität Berlin. Er war Lehrbeauftragter für das Sozialverhalten von Primaten und für die „Geschichte biologischer Forschung“. Außerdem arbeitete er als Kolumnist und Stadtnaturreporter für die „Berliner Seiten“ der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Autor der Bücher „Bestiarium“ (2003) und „Wilde Tiere in der Großstadt“ (2004). 2008 erschien eine Sammlung der Stimmen der Tiere Europas, Asiens und Afrikas, 3 CDs bei kein und aber. Er kuratierte zusammen mit Marcel Schwierin das Sonderprogramm zum „Kino der Tiere“ bei den Kurzfilmtagen 2011 in Oberhausen. Zuletzt erschien das Buch „Krähen. Ein Porträt“ (2013) bei Matthes & Seitz. Riechelmann schreibt für diverse Zeitungen u. a. für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, den Merkur, die taz und die jungle world. Er unterrichtet wiederkehrend im Studium Generale der Universität der Künste Berlin.