Wahrnehmung und Transformation (Seminar)

Dr. Cornelia Heering
Wahrnehmung und Transformation

Seminar, 2 SWS, 2 LP
Freitags, 14-18 Uhr, circa 14tägig, 7 Termine: 21.4., 5.5., 19.5., 2.6., 16.6., 23.6., 7.7.2017, Hardenbergstr. 33, Raum 004

Transformation ereignet sich einerseits intentional, zielgerichtet und aus Notwendigkeit. Sie nimmt jedoch häufig einen anderen als den geplanten Verlauf. Was das Bewusstsein daraus macht, ist ein kreativer eigener Gestaltungsakt. Dabei kann es sich um einen „teilweise unspezifischen, schwer einzugrenzenden, ja fast unbewussten Prozess des Auswählens, Aufnehmens und Umarbeitens“ handeln, „so dass man nach einiger Zeit nicht mehr so recht weiß“, woher der eigene Anteil stammt und was an Konstellationen, Prägungen oder kulturellen Mustern mitgewirkt hat (Clifford Geertz). Was geschieht denn in unserem Gehirn, wenn wir glauben, etwas ganz Neues geschaffen zu haben? Wie lange ist der Zustand der Euphorie des Kreativen aufrecht zu erhalten, und wie kommt es, dass er zerstört wird durch den Verdacht, dass es sich bei dem Neuen „nur“ um eine Imitation von schon Dagewesenem, Vorhandenem, um eine Kopie, um eine Reproduktion des Tradierten handelt?

Transformationsprozesse sind Fortsetzungsgeschichten von Kehrtwendungen. Unsere Wahrnehmung setzt immer am Wissen des Gekannten und Gekonnten an. Sie benutzt das Gedächtnis als Filter, der ein- und ausgeschaltet wird. Aber sie entwickelt auch gleichermaßen weiter, sie wird selbst genauer, ausdifferenzierter. Nichts sei so schwierig, wie das genaue Imitieren, sagt Susan Blackmore über die Tätigkeit des menschlichen Bewusstseins. Nichts sei so notwendig, wie das Überschreiten des Individualismus durch Kooperation und kognitive Antizipation der Wirkungen des eigenen Handelns im Kollektiv, behauptet Michael Tomasello in seinem jüngst erschienenen Buch „Die Naturgeschichte der menschlichen Moral“. Wie Werte und Bewertungen entstehen, wie sich der Schöpfer und sein Publikum, der Künstler und sein Auftraggeber damit auseinandersetzt, ist Gegenstand des Seminarangebotes. Es wird dabei um Begriffsklärungen, Experimente, Ideenfindung und um Lektüren und Beispiele von gelungenem „Projektmanagement“ gehen.

Ziel der Veranstaltung ist die kritische Reflexion der Rahmenbedingungen von eigenen und vorgegebenen Transformationsprozessen, die Gestaltungsaufgaben, Neuorientierungen und Paradigmenwechsel zur Folge haben. Die Veranstaltung bietet den Teilnehmerinnen und Teilnehmern die Möglichkeit, im Rahmen des Studium Generale interdisziplinär Methoden und Konzepte von Wahrnehmung und Transformation kennenzulernen, ihr individuelles planerisches und konzeptionelles Handeln im Rahmen von Reflexionsphasen zu überprüfen, und in experimentellen Umdeutungen alter Muster neue und eigene Wege der Transformation zu erkunden.

Leistungsanforderungen für den unbenoteten Studium-Generale-Schein: regelmäßige Teilnahme und Gestaltung einer Sitzung in Form eines Referatsbeitrags.

Literatur:
Blackmore, Susan: Gene, Meme und Gehirne. Geist und Gesellschaft als Natur – eine Debatte, 2003.
Bredekamp, Horst: Leibniz und die Revolution der Gartenkunst. Herrenhausen, Versailles und die Philosophie der Blätter, 2012.
Geertz, Clifford: Religiöse Entwicklungen im Islam. Beobachtet in Marokko und Indonesien, 1988.
Halbwachs, Maurice: Das Gedächtnis und seine sozialen Bedingungen, 1985.
Polanyi, Karl: The Great Transformation, 1944.
Tomasello, Michael: Eine Naturgeschichte der menschlichen Moral, 2016.

Cornelia Heering verantwortet die Strategie, die Entwicklung und Vermarktung erfolgreicher Lehr- und Lernmedienkonzepte nach den Lehrplanrevisionen seit PISA in einer Verlagsgruppe. Sie studierte Germanistik und Philosophie an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Dort hat sie als Lehrbeauftragte Seminare u.a. zu den Themen „Bildung und Spiel“, „Am Anfang steht das ABC-Buch“, „Konzeption und Analyse von Lesebüchern“, „Rebellion gegen die Weiblichkeit - Biographieforschung am Modell Cornelia Goethe“ durchgeführt. Sie promovierte über „Die Kultur des Kriminellen - Literarische Diskurse zwischen 1918 und 1933“.