Eine Klasse für sich. Klassenkampf und Solidarität in den Künsten

Michael Annoff
Eine Klasse für sich. Klassenkampf und Solidarität in den Künsten

Blockseminar, Deutsch/English, 2 SWS, 2 ECTS
Freitags, 12-18:30 Uhr, 4 Termine: 4.11. (Raum 158), 9.12.2022 (Raum 151), 13.1. (Raum 151 und vielleicht AUCH in 158), 3.2.2023 (Raum 110),
jeweils Hardenbergstr. 33

„Mit welcher Kunst kamen Sie in der Jugend in Berührung?“
„Vor allem mit Theater und Musik, meine Großmutter war Schauspielerin, mein Urgroßvater Generalmusikdirektor.“
Julia Stoschek, Milliardärin & Kunstsammlerin

Klasse entscheidet darüber, wer einen Beruf in Kunst und Kultur ergreifen kann und wer nicht. In den letzten Jahren hat sich die Diskussion über Klassenkämpfe und Soziale Gerechtigkeit in den Künsten entscheidend verändert: Das 20. Jahrhundert war geprägt von sozial und ökonomisch eher privilegierten Künstler*innen. Sie gehörten (neo-) avantgardistischen Bewegungen an, die „allen Menschen“ Zugang zur Kunstproduktion verschaffen wollten.

Nun gibt es einen Perspektivwechsel: In den letzten Jahren wurde der extrem ungleiche Zugang zu kreativen und intellektuellen Berufen über das Schlagwort „Klassismus“ kritisiert. Es greift verschiedene identitätspolitische Strategien auf. Diese Strategien sollen vor allem sozial und ökonomisch benachteiligte Künstler*innen bemächtigen, Ungleichheiten im Kunstbetrieb am Beispiel der eigenen Aufstiegsbiographien zu thematisieren.

Das hat Vor- und Nachteile: Einerseits wird über das Stichwort Klassismus ökonomische Ungleichheit anschlussfähig an die Bemühungen in den Künsten und ihren Hochschulen, sich intersektional zu diversifizieren. Andererseits riskiert dieser Ansatz, dass das verhältnismäßig privilegierte Kunstfeld nunmehr nur noch von eigenen Benachteiligungen spricht, aber diese nicht mehr in Verhältnis zur gesamten Gesellschaft setzt. Welche Rolle spielen die Künste als Kritiker*innen und Profiteur*innen historischer und gegenwärtiger Klassenkämpfe?

Das Blockseminar untersucht exemplarisch Arbeiten zur Klassenfrage (in den Künsten) von Bertold Brecht über Harun Farocki und Kanak Attak bis hin zu neueren Arbeiten von Yulia Lokshina („Regeln am Band“) und Nuray Demir („Semiotiken der Drecksarbeit“).

Einführende Lektüre: https://diversity-arts-culture.berlin/magazin/das-eis-ist-duenn-aber-das-wasser-ist-lauwarm

Leistungsanforderungen für den unbenoteten Studium Generale Leistungsschein: aktive und regelmäßige Teilnahme, Lesebereitschaft.

Michael Annoff ist ein queerer Anthropologe*, Performer* und Kurator*. Annoff wurde nach einem kulturwissenschaftlichen und philosophischen Studium wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Graduiertenschule für die Künste und die Wissenschaften der UdK. Von 2016 bis 2022 lehrte Annoff Kultur & Vermittlung an der Fachhochschule Potsdam, wo er 2021 mit dem Brandenburger Landeslehrpreis ausgezeichnet wurde. Annoffs Performances, Installationen und kuratorische Arbeiten waren u.a. am Haus der Kulturen der Welt, dem HAU Hebbel am Ufer und dem Museum für Kunst & Gewerbe Hamburg zu sehen. Aktuell ist Annoff artist-in-residence an der Bundeskunsthalle in Bonn. Michael Annoff interessiert sich für Social Justice und Institutionskritik in Kunst und Kulturproduktion, die Geschichte(n) queerer und antirassistischer Aktivismen und das Konzept der Performance in den Künsten und der Anthropologie.