Was genau ist und darf Kunst?

Christian Schüle
Was genau ist und darf Kunst?

Seminar, Deutsch, 2 SWS, 2 ECTS
Freitags, 14-18 Uhr, 8 Termine: 28.10., 11.11., 25.11., 9.12., 16.12.2022 (Raum 151), 20.1., 3.2. und 10.2.2023, Hardenbergstr. 33, Raum 102

Anmeldung ab 17.10.2022 auf Moodle: https://moodle.udk-berlin.de/moodle/course/view.php?id=1667
Moodle Einschreibeschlüssel / Moodle Enrollment Key: wasgenau


Anhand der legendären Vortragsreihe „Das Fortleben der Kunst“ des US-amerikanischen Philosophen und im 20. Jahrhundert höchst einflussreichen Kunstkritikers Arthur C. Danto ergründen wir die fundamentale Frage, was wann und warum genau Kunst ist. Wer legt das fest? Ist Kunst abhängig vom Kontext, in dem sie steht? Ist sie abhängig von Personen, die sie zur Kunst erklären? Ist Kunst das Resultat der Haltung und Herkunft einer Kunst betreibenden Person? Ist Kunst die Repräsentation der Wirklichkeit – oder gerade ihre Transzendierung? Und welche Wirklichkeit würde sie repräsentieren? Was sind die soziokulturellen Vorbedingungen für Kunst? Wird Kunst von männlichen weißhäutigen Koryphäen hegemonial definiert? Und wenn ja: Welche Definition von Kunst bringen nichtweiße, nonbinäre, nichtwestliche Künstler*innen ein? Wird die Diversität der Gesellschaft, werden die völlig unterschiedlichen Lebensentwürfe der Menschen durch Kunst ausreichend repräsentiert und als gleichwertig wahrgenommen? Und wenn nein: Woran liegt das?

Arthur Dantos epochaler Widerstreit mit dem zweiten hochbedeutenden Kunsttheoretiker Clement Greenberg hat die Bestimmung dessen, was Kunst sein könnte, Ende des 20. Jahrhunderts auf einen intellektuellen Höhepunkt geführt. Im Seminar lesen wir Dantos Texte von Sitzung zu Sitzung, arbeiten Argumente und Kriterien heraus, fragen nach ihrer Zeitgemäßheit, diskutieren kritisch, gern kontrovers, aber ergebnisoffen und transformieren unsere vorläufigen Erkenntnisse anhand von Beispiele in den aktuellen Diskurs (Beispiele: Die Ästhetik politischer Inszenierung durch die Macht des Bildes sowie die Fragen: Sind Selfies Kunstwerke? Und darf Kunst alles, also auch – wie auf der documenta 15 – antisemitisch sein?).

Ziel des Seminars sind belastbare Kategorien und Kriterien dessen, was Kunst eigentlich ist und was Kunst im Kontext der Debatten um Repräsentation, „Rasse“, Repression und Revolution darf. Der Begriff von Kunst wandelt sich. Die Vorstellung des genial schöpferischen Einzelkünstlers unterliegt mehr und mehr dem künstlerischen Prozess durch kollektive Kreativität von Gruppen. Die allmähliche und gemeinsame Verfertigung der Kriterien soll die Teilnehmer*innen befähigen, ihre eigene Sicht auf Kunst und Kunstwerk reflektieren, artikulieren und begründen zu können. Hinter allem steht die Frage, inwiefern Kunst gerade heute politisch ist, sein soll und sein kann. Wer Zustand und Güteklasse gegenwärtiger Kunst beurteilen will, muss wissen, was jenseits der Pose eigentlich genau Kunst ist und durch welche Prozesse sie hervorgebracht wird.

Leistungsanforderungen für den unbenoteten Studium Generale Leistungsschein: Das Seminar versteht sich als Einladung zur intensiven Diskussion, zum Nach- und Vordenken. Erwartet wird Neugier, Debattenfreudigkeit und genaue Textlektüre als Vorbereitung auf die jeweilige Sitzung. Für den Scheinerwerb müssen jede Teilnehmerin und jeder Teilnehmer ein kurzes Referat halten.

Christian Schüle, geb. 1970; Studium der Philosophie, Soziologie und Politischen Wissenschaft in München und Wien; ehemaliger ZEIT-Redakteur; lebt als freier Schriftsteller, Essayist und Publizist in Hamburg. Er leitete zwei Thinktanks über Minima Moralia der nächsten Gesellschaft, ist Vortragsredner auf verschiedenen Foren und nimmt in politischen Feuilletons für Deutschlandfunk und Bayerischen Rundfunk regelmäßig zu zeit- und gesellschaftskritischen Fragen Stellung. Unter seinen bisher 13 Büchern sind der Roman „Das Ende unserer Tage“ sowie die Debatten-Essays „Was ist Gerechtigkeit?“, „Heimat, ein Phantomschmerz“ und „In der Kampfzone“. Zuletzt erschien seine Philosophie des Reisens unter dem Titel „Vom Glück, unterwegs zu sein“ (Siedler-Verlag, München).