Wissenschaftstag 2018: UdK Berlin goes #4genderstudies

Vom Denken und Handeln im Paradox

Die UdK Berlin beteiligt sich am 18.12.2018 am Barcamp Gender Studies 2018. Das Barcamp ist Teil des Aktionstages #4genderstudies, der im gesamten deutschsprachigen Raum analog und digital stattfindet. Der Aktionstag wurde 2017 in Reaktion auf die Angriffe auf die Gender Studies aus dem rechtspopulistischen und -extremistischen Lager ins Leben gerufen und findet nun jedes Jahr am 18.12. statt. Katrin Köpperts Beitrag beschäftigt sich mit der Bedeutung der Gender Studies, die aus dem Paradox ihre Kraft ziehen und daher für künstlerische und gestalterische Praktiken sowie einen geschlechtergerechten Universitätsalltag Quell der Inspiration sind.

Einerseits: ein offen sexistischer US-Präsident, ein unter dem Verdacht der Vergewaltigung stehender neu berufener Richter am Supreme Court der Vereinigen Staaten, der populistische Vorwurf der Unwissenschaftlichkeit von Gender Studies oder gar der ‚Genderologie’, der nicht gestrichene, sondern nur reformierte §219a StGB, die Abschaffung der Gender Studies in Ungarn, das Ausmaß der häuslichen Gewalt gegen Frauen, der Gender Pay Gap.

Aber auch: #metoo, ProQuote Film-Bühne-Medien, der Women’s March, T-Shirt-Feminismus, das Bundesverfassungsgerichtsurteil von 2017 zum „dritten Geschlecht“, #unteilbar und nicht zuletzt #4genderstudies.

Der Widerspruch, der sich zwischen Anti-Genderismus, sexualisierter Gewalt sowie juristischen Diskriminierungen (z.B. §218, §219a) auf der einen Seite und neuen Formen der Solidarität, des digitalen Feminismus und der studentischen Begeisterung für Geschlechterstudien auf der anderen Seite darstellt, ist die Zustandsbeschreibung einer hyperkomplexen Gegenwart.

Vom Denken und Handeln im Paradox

Im Paradox zu denken und zu agieren, lässt sich als grundlegend für die Geschichte der Frauenbewegung wie auch der Geschlechterstudien beschreiben. So geht die Feminismusgeschichte auf die Französische Revolution zurück, die gleichzeitig der Schauplatz der Verdrängung der Frau auf den Platz der Repräsentation, statt Gestaltung von Politik war. Und die Geschlechterstudien nehmen ihren ersten Anlauf in den Women´s Studies der 1960er Jahre: das heißt zu einer Zeit, in der sich der Fakt der 68er-Revolte als einer weiblichen und die Behauptung der Frauenunterdrückung als Nebenwiderspruch die Hand gaben.

Das Paradox – so ließe sich sagen – ist der Dreh- und Angelpunkt einer Disziplin, die nie eine Disziplin sein wollte. Der massive Angriff auf ihre Legitimation heute muss die Gender Studies also nicht allzu sehr schrecken. Sie können sich darauf besinnen, das Paradox noch immer für etwas genutzt zu haben, das erkenntnisreich, politisch relevant und vor allem von „intellektueller Substanz“ (Hirschauer 2018) ist. Erkenntnis und Politik gehören dabei zusammen, weil im Allgemeinen jede wissenschaftliche Disziplin innerhalb eines (politischen) Diskurses operiert und nie neutral sein kann und Gender Studies im Besonderen mit einer analytischen Perspektive auf Ungleichheiten und strukturelle Machtverhältnisse von der Überwindung dieser angetrieben sind.

Eine Zukunft der Kunstuniversität ist eine der Gender Studies

Auch die Künstler_innen und Gestalter_innen der UdK sind nicht von der Muse geküsste oder von Gottes Funken erfasste, freischwebende Satelliten. In Machtverhältnisse und Wissensformen eingebunden operieren auch sie nur im Rahmen ihrer eigenen Begrenztheit. Die Gender Studies können einen wichtigen Beitrag leisten, künstlerische Praktiken und gestalterisches Wissen in ihrer inneren Zerissenheiten zwischen Freiheit und Funktionalität, Kunst und Konsum zu reflektieren und zu bearbeiten.

Interessant ist daher, dass kein institutionalisiertes Studienangebot der Gender Studies , wie üblicherweise an Hochschulen der Fall, an der UdK implementiert ist. Bisher ist nur eine Liste an Professorinnen bekannt, die einen Gender-Schwerpunkt haben, aber nur vier aus 13 eine Gender-Denomination. Diese vier sind noch zudem Junior- und somit nicht verstetigte Professorinnen. Überhaupt sind von den insgesamt 13 aufgeführten nur sieben ständige Professuren. Die Fragilität der Gender Studies an der UdK steht im Gegensatz zum lauten Jubel, der auf dem Hochschultag UdK2030 aufkam, als die Rektorin der Akademie der Bildenden Künste in Wien Eva Blimlinger sagte, „dass nur eine Kunstuniversität der Geschlechtergerechtigkeit eine Kunstuniversität der Zukunft sei.“ Von daher mache ich gern eine Ausnahme und sage: Learning from Austria (despite FPÖ).

Katrin Köppert

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https://bcgender.cargocollective.com/

https://www.afg-berliner-hochschulen.de/

 

Dr. des. phil. Katrin Köppert studierte Gender Studies und Neuere deutsche Literatur an der Humboldt-Universität zu Berlin (M.A.) und promovierte 2018 am Institut für Kunst und Visuelle Kultur an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. Nach mehrjährigen wissenschaftlichen Tätigkeiten in Siegen, Los Angeles, London und Linz sowie einem Stipendium am DFG-Graduiertenkolleg Geschlecht als Wissenskategorie (Humboldt-Universität zu Berlin), ist sie seit Dezember 2017 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Geschichte und Theorie der Gestaltung der Universität der Künste Berlin. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Queer Media Theory, Affect Studies und politische Gefühle, Visual Culture, Populär- und Vernakulärkultur, Fotografietheorie und -geschichte, Post- und Dekoloniale (Medien-)Theorie, Sound/Image und Temporality. Zuletzt erschienen sind „Das ‚Handwerk’ des Schmerzes. Fotografie zwischen Automatisierung und Affizierung“, in: Käthe von Bose et al. (Hg.): Verkörperung und Materialisierung, München: Fink; „Tableau Vivant as Plateau of Pain and Queer Temporality in Photography as Cinema“, in: Barbara Paul et al. (Hg.): Perverse Assemblages. Queering Heteronormativity Inter/Medially, Berlin: Revolver.

 

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